Tägliche Meditationen
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Samstag,
19. September 2020

Allmacht und Ohnmacht des Wortes

Samstag der vierundzwanzigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Januarius, Bischof, Märtyrer

P. Thomas Fox LC

Lk 8,4-15
In jener Zeit als die Leute aus allen Städten zusammenströmten und sich viele Menschen um ihn versammelten, erzählte er ihnen dieses Gleichnis: Ein Sämann ging aufs Feld, um seinen Samen auszusäen. Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg; sie wurden zertreten, und die Vögel des Himmels fraßen sie. Ein anderer Teil fiel auf Felsen, und als die Saat aufging, verdorrte sie, weil es ihr an Feuchtigkeit fehlte. Wieder ein anderer Teil fiel mitten in die Dornen, und die Dornen wuchsen zusammen mit der Saat hoch und erstickten sie. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden, ging auf und brachte hundertfach Frucht. Als Jesus das gesagt hatte, rief er: Wer Ohren hat zum Hören, der höre! Seine Jünger fragten ihn, was das Gleichnis bedeute. Da sagte er: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu erkennen. Zu den anderen Menschen aber wird nur in Gleichnissen geredet; denn sie sollen sehen und doch nicht sehen, hören und doch nicht verstehen. Das ist der Sinn des Gleichnisses: Der Samen ist das Wort Gottes. Auf den Weg ist der Samen bei denen gefallen, die das Wort zwar hören, denen es aber der Teufel dann aus dem Herzen reißt, damit sie nicht glauben und nicht gerettet werden. Auf den Felsen ist der Samen bei denen gefallen, die das Wort freudig aufnehmen, wenn sie es hören; aber sie haben keine Wurzeln: Eine Zeit lang glauben sie, doch in der Zeit der Prüfung werden sie abtrünnig. Unter die Dornen ist der Samen bei denen gefallen, die das Wort zwar hören, dann aber weggehen und in den Sorgen, dem Reichtum und den Genüssen des Lebens ersticken, deren Frucht also nicht reift. Auf guten Boden ist der Samen bei denen gefallen, die das Wort mit gutem und aufrichtigem Herzen hören, daran festhalten und durch ihre Ausdauer Frucht bringen.

Einführendes Gebet: Herr, ich staune über dein großes Herz. Niemanden, aber auch wirklich niemanden schließt du von deiner Liebe aus. Und so streust du unbekümmert überall deinen Samen aus, auf Wegen und Felsen, unter Disteln und Dornen, in den Abgründen der Falten unseres Bewusstseins, wo dein Wort schnell in Vergessenheit geraten kann. Hilf mir, heute gute Erde zu sein – Erde, die dein Wort aufnimmt, es hütet und im Herzen festhält, wo kein Feind mehr hingelangen und es stehlen kann.

Bitte: Hilf mir, das scheinbar so flüchtige Wort, das du heute für mich bestimmt hast, bewusst wahrzunehmen und festzuhalten.

1. Die Allmacht des Wortes. Im Gleichnis vom Sämann wird das Wort Gottes mit einem Samen verglichen. Das bedeutet, dass es "lebendig" ist, Leben in sich trägt. – Wie es im Hebräerbrief heißt: "lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert…" (4,12-13). Aber Gottes Wort ist mehr als lebendig, es ist sogar allmächtig: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde durch sein bloßes Wort. Er sprach: "Es werde Licht" und…: "es wurde Licht" (Gen 1). Gottes Wort ist weiterhin überall dort allmächtig, wo es unter den Menschen ein aufnahmebereites Herz findet: Das sehen wir an Maria, die mit ihrem Jawort zur Menschwerdung bei Gott zur fürbittenden Allmacht geworden ist. Das sehen wir an den Aposteln, die auf Jesu bloßes Wort hin alles stehen und liegen lassen und ihm nachfolgen. Und wir sehen es im Glauben des Hauptmanns, der darauf vertraut, dass sein Diener auf ein bloßes Wort Jesu hin gesund wird: "Herr, sprich nur ein Wort…"

2. Die Ohnmacht des Wortes. Andererseits ist Gottes Wort in dieser Welt bisweilen auch extrem schwach, – ja ohnmächtig. Das rührt daher, dass es sich in menschliche Worte kleiden und in entsprechende Lebensformen übersetzen muss, damit wir es verstehen. Dadurch wird es flüchtig und angreifbar: Wie viele Worte Jesu verstehen wir nicht, nehmen sie nicht ernst und vergessen sie, obwohl wir sie festhalten und unser Leben davon prägen lassen sollten! Und so ist das Wort ohnmächtig gegenüber unserer Freiheit, wenn wir abgelenkt sind, uns ihm verschließen oder uns nicht entscheiden können, ihm zu folgen. Und… - was sollen wir erst sagen, wenn Mitglieder der Kirche entgegen Christi Ruf und Gnade Unheiliges tun? Wo man sich dem Wort Christi verschrieben hat und dennoch ihm entgegenhandelt, wird es seiner Kraft völlig beraubt. Es wird machtlos, schwach, zu einer Worthülse. Und dabei ist es der alleinige Felsen unserer Existenz!

3. Die Macht des Zeugnisses, des gelebten Wortes. Es gibt deshalb einen Ort, wo die Kirche Christi zur "Kirche des Schweigens" werden muss und das ist der Kalvarienberg. – Eine Kirche des Schweigens ist eine Kirche, die hinhört und hinschaut auf Christus, auf das, was auf dem Kalvarienberg geschieht. Im ehemaligen Ostblock bildete sich unter dem kommunistischen Regime eine "Kirche des Schweigens" heraus: eine Kirche von Zeugen, mit bitteren Leidenserfahrungen. Letztlich kann die Kirche nur auf der Grundlage einer solchen Zeugenschaft bestehen. Auch Jesus wurde während seines Leidenswegs immer stiller, bis er am Kreuz schließlich ganz schwieg. Nur so konnte er seinem Wort treu sein, bei uns bleiben und uns "über-zeugen". Es ging ihm nicht ums "Über-reden", sondern darum, uns zu "über-zeugen". Wenn unser Lebenszeugnis mit dem Wort "stimmig" ist, beweist es tatsächlich seine Macht und trägt Frucht, teils 30fach, teils 60fach, teils 100fach.

Gespräch mit Christus: Herr, pflanze dich mit deinem Wort in mein Herz ein. Geh dabei so tief, dass niemand, kein Feind, nicht einmal ich selbst, mich an deinem Wort mehr vergreifen kann. Lass mich dein Wort mit Ehrfurcht hören, es innerlich kosten und fühlen, bis ich ganz und gar nicht mehr darauf verzichten kann, bis es mein Herz zum Brennen bringt und beginnt, überzugreifen und auszustrahlen.

Vorsatz: Ich suche mein Lieblingswort im Evangelium oder jenes, an dem ich mich am meisten stoße, und wiederhole es heute so oft ich nur kann und daran denke.

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