Tägliche Meditationen
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Mittwoch,
17. November 2021

Das Moratorium

Mittwoch der dreiunddreißigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Gertrud von Helfta, Ordensfrau, Mystikerin

P. Thomas Fox LC

Lk 19,11-28
In jener Zeit meinten die Menschen, weil Jesus schon nahe bei Jerusalem war, das Reich Gottes werde sofort erscheinen. Daher erzählte er ihnen ein weiteres Gleichnis. Er sagte: Ein Mann von vornehmer Herkunft wollte in ein fernes Land reisen, um die Königswürde zu erlangen und dann zurückzukehren. Er rief zehn seiner Diener zu sich, verteilte unter sie Geld im Wert von zehn Minen und sagte: Macht Geschäfte damit, bis ich wiederkomme. Da ihn aber die Einwohner seines Landes hassten, schickten sie eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen: Wir wollen nicht, dass dieser Mann unser König wird. Dennoch wurde er als König eingesetzt. Nach seiner Rückkehr ließ er die Diener, denen er das Geld gegeben hatte, zu sich rufen. Er wollte sehen, welchen Gewinn jeder bei seinen Geschäften erzielt hatte. Der erste kam und sagte: Herr, ich habe mit deiner Mine zehn Minen erwirtschaftet. Da sagte der König zu ihm: Sehr gut, du bist ein tüchtiger Diener. Weil du im Kleinsten zuverlässig warst, sollst du Herr über zehn Städte werden. Der zweite kam und sagte: Herr, ich habe mit deiner Mine fünf Minen erwirtschaftet. Zu ihm sagte der König: Du sollst über fünf Städte herrschen. Nun kam ein anderer und sagte: Herr, hier hast du dein Geld zurück. Ich habe es in ein Tuch eingebunden und aufbewahrt; denn ich hatte Angst vor dir, weil du ein strenger Mann bist: Du hebst ab, was du nicht eingezahlt hast, und erntest, was du nicht gesät hast. Der König antwortete: Aufgrund deiner eigenen Worte spreche ich dir das Urteil. Du bist ein schlechter Diener. Du hast gewusst, dass ich ein strenger Mann bin? Dass ich abhebe, was ich nicht eingezahlt habe, und ernte, was ich nicht gesät habe? Warum hast du dann mein Geld nicht auf die Bank gebracht? Dann hätte ich es bei der Rückkehr mit Zinsen abheben können. Und zu den anderen, die dabeistanden, sagte er: Nehmt ihm das Geld weg, und gebt es dem, der die zehn Minen hat. Sie sagten zu ihm: Herr, er hat doch schon zehn. (Da erwiderte er:) Ich sage euch: Wer hat, dem wird gegeben werden; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Doch meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde - bringt sie her, und macht sie vor meinen Augen nieder! Nach dieser Rede zog Jesus weiter und ging nach Jerusalem hinauf.

Einführendes Gebet: Komm, Heiliger Geist, bete in mir, wirke in mir, lebe in mir! Komm, du Geist der Dienstbereitschaft, der aufrichtigen Hingabe an meinen Herrn und seine Sache! Suche mich auf, finde mich und ergreife mich! Nimm mein ganzes Sein in Besitz, damit ich fühle, denke und tu´, was dir entspricht. Lass mich das Glück erfahren, dem rechten Herrn zu dienen, dem wahren König, dem alle Ehre und Hingabe gebührt.

Bitte: Herr, nimm meinen Dienst an und lass ihn dir gefallen!

1. "Noch nicht sofort." Als Jesus, seine Jünger und das mitziehende Volk nicht mehr weit von Jerusalem entfernt waren und der Einzug in der Stadt nur noch wenige Tage bevorstand, befand sich die Stimmung der Menschen auf einem Höhepunkt: so viele Heilungen, Bekehrungen, Aufbrüche, Verheißungen! Und jetzt die Begegnung mit der Heiligen Stadt! Es erstaunt nicht, dass viele meinten, das Reich Gottes würde nun sofort erscheinen. Jesus, der die um ihn kursierenden Gerüchte aufmerksam mitverfolgte, nahm das zum Anlass, falsche Hoffnungen zu berichtigen und was "schon jetzt" erwartet wurde als "vorerst noch nicht" zu prophezeien. Das Gleichnis von den Minen verkündet ein solches Moratorium, das besagt, dass sich das Reich noch nicht sofort offenbaren wird, dass der Aufschub aber noch größere Früchte für das Reich hervorbringen wird – wenn wir uns von ihm in Dienst nehmen lassen.

2. Das "ferne Land" und die "Königswürde". Der "Mann vornehmer Herkunft" ist Christus Jesus selbst, der in ein "fernes Land" reist, das heißt, zu seinem Vater geht, – dorthin also, wohin ihm niemand folgen kann, ohne zu sterben. Konkret heißt das, dass der Erlösertod am Kreuz für ihn Tor und Durchgang zu seinem himmlischen Vater wird. Vor ihm angelangt, wird er sich mit seinen fünf Wunden – mit seiner Hingabe in vollendeter Liebe für das eigene Volk – als der ausweisen, der die Königswürde wirklich verdient, und er wird sie von Gott Vater empfangen. Gibt es einen würdigeren Anwärter darauf, über unsere Seelen zu herrschen?

3. Der Sinn des Moratoriums: "Macht Geschäfte, bis ich wiederkomme." Ein solcher König hat nichts rein Weltliches oder Irdisches im Sinn, wenn er seine Diener damit beauftragt, "Geschäfte" zu machen. Die "Mine", die er ihnen übergibt, ist weniger ein Geldbetrag als das Vermächtnis seiner Liebe, der Preis der Erlösung: sein kostbares Blut, die Eucharistie, sein Liebe verströmendes Herz. Es geht auch nicht darum zu vergleichen, wie viele Früchte jeder einfährt, denn im Reich des Herrn freut sich jeder über den Erfolg anderer und das Heil aller steht im Mittelpunkt. Jeder hofft, dass alle sich gerade im Kleinsten als zuverlässig erweisen, denn ein einziger Akt uneigennütziger Liebe, vollzogen im Geist der Demut und Dienstbereitschaft, ist göttlich, strahlt von selbst, erinnert an den Herrn und ist mehr wert als tausend publikumswirksame Taten. Wer aber in dieser Liebe untätig war und nicht im Kleinsten investiert hat, der muss wahrlich um seine Aufnahme fürchten.

Gespräch mit Christus: Herr, dieses "…bis ich wiederkomme" erinnert mich an das "Geheimnis des Glaubens", das wir nach der Wandlung sprechen: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, deine Auferstehung preisen wir, …bis du kommst in Herrlichkeit!" Ja, du kommst wieder, und solange will ich deiner Sache dienen, deine Hingabe am Kreuz verkünden und deine Auferstehung preisen. Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst und lass mich dich eines Tages ohne Schleier sehen!

Vorsatz: Ich werde an die Kraft einzelner Akte der Nächstenliebe glauben und einige davon in der Verborgenheit meines Herzens üben – im Denken und Reden und so auch im Tun.

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