Mittwoch,
16. Oktober 2019
Der Kompass steht schief
Mittwoch der achtundzwanzigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Marguerite-Marie Alacoque OVM
Hl.
Hedwig, Herzogin
Hl. Gallus, Mönch, Einsiedler, Glaubensbote
Beate Scheilen
Lk 11,42 -46
In jener Zeit sprach Jesus: Weh euch Pharisäern! Ihr gebt den Zehnten von Minze,
Gewürzkraut und allem Gemüse, die Gerechtigkeit aber und die Liebe zu Gott vergesst ihr. Man muss das eine
tun, ohne das andere zu unterlassen. Weh euch Pharisäern! Ihr wollt in den Synagogen den vordersten Sitz
haben und auf den Straßen und Plätzen von allen gegrüßt werden. Weh euch: Ihr seid wie Gräber, die man nicht
mehr sieht; die Leute gehen darüber, ohne es zu merken. Darauf erwiderte ihm ein Gesetzeslehrer: Meister,
damit beleidigst du auch uns. Er antwortete: Weh auch euch Gesetzeslehrern! Ihr ladet den Menschen Lasten
auf, die sie kaum tragen können, selbst aber rührt ihr keinen Finger dafür.
Einführendes Gebet: Jesus, ich bin gespannt, was du aus dieser Gebetszeit machen wirst! Wir alle wissen, dass die Pharisäer seltsame Leute waren – aber was hat das mit mir zu tun? Ich lebe im Jahr 2019 und "verzehnte" keine Küchenkräuter. Was also willst du mir sagen?
Bitte: Herr, bitte zeige mir, was diese Schriftstelle für mich persönlich bedeutet und bewahre mich vor vorschnellem Urteilen.
1. Auf der sicheren Seite. Die Pharisäer hatten den löblichen Vorsatz, gottgefällig zu leben, Darum nahmen sie die Gebote sehr ernst und entrichteten ihre 10%-Abgabe (die laut Gesetz vor allem den Ertrag an Wein, Öl und Getreide betraf) auch auf alles, was in ihrem Garten wuchs. So konnten sie Gott gegenüber auf der sicheren Seite sein und außerdem noch als Vorbild für ihre Mitmenschen dastehen – die ihnen dafür auch den entsprechenden Respekt erweisen sollten.
2. Ablenkung. Wichtig für die Pharisäer war es auch, sich nicht an und in der "Welt" zu verunreinigen. Daher gab es viele Regeln, was man alles nicht tun: nicht essen, nicht trinken und nicht anfassen durfte. Aber führt man so wirklich ein reines Leben? Jesus legt den Finger auf die Wunde: Dieses Vorgehen lenkt das Gewissen von der Hauptsache ab, der innere Kompass richtet sich falsch aus: Statt auf die Liebe zu Gott ist er auf die Vermeidung von Fehlverhalten und auf die Erfüllung zahlreicher Formalien orientiert.
3. Was ist Reinheit? Außerdem kann kein Mensch allein aus sich selbst heraus wirklich "rein" sein, denn wir alle tragen noch die Folgen der Erbsünde in uns, den "Sündenzunder". In jedem Herzen sitzt "Schmutz" in Form liebloser Gedanken und egozentrischer Neigungen; nur merken wir das oft selber nicht. Im Grunde neigt jeder Mensch zum Pharisäertum: Er findet gut, was er selber tut und ist versucht, auf die herabzuschauen, die seiner Ansicht nach nicht richtig leben. Auf uns bezogen heißt das: "Ich bin ein guter Christ, wenn ich alle Kirchengebote halte und außerdem den Umgang mit schlechten Menschen meide". Das geht aber am Kern des Glaubens, der Verinnerlichung, vorbei. Und es birgt die Gefahr, dass ich meine, ich hätte Jesus als Erlöser gar nicht mehr nötig. Jesus nennt die Pharisäer "Gräber, die man nicht sieht". Was heißt das? Berührung mit Toten und Gräbern machte einen Menschen unrein. Normalerweise merkt man, wenn man mit etwas Unreinem oder Schädlichem zu tun hat. Bei den Pharisäern merkt man es nicht – im Gegenteil, sie gelten als die geistliche Elite, die man nachahmen soll. Das macht sie umso gefährlicher.
Gespräch mit Christus: Jesus, ich danke dir für diese Gebetszeit. Du lässt mich immer wieder erkennen, wie groß der Unterschied zwischen Herzens- und Gesetzesfrömmigkeit ist. Bewahre mich davor, mich nur an den Wortlaut bestimmter Gebote zu halten, ohne dass mein Herz von deiner Liebe berührt wird.
Vorsatz: Ich werde mir heute zehn Minuten Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, wo mein geistliches Leben ein Handeln "nach dem Buchstaben" ist. Dann werde ich Gott um die Kraft bitten, mich in diesem Punkt zu ändern.