Tägliche Meditationen
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Dienstag,
24. Januar 2017

Familie mal anders

Gedenktag
Hl. Franz von Sales

Beate Scheilen

Mk 3,31-35
In jener Zeit kamen die Mutter Jesu und seine Brüder; sie blieben vor dem Haus stehen und ließen Jesus herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum, und man sagte zu ihm: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und fragen nach dir. Er erwiderte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.

Einführendes Gebet: Heute, Jesus, will ich dir als Freund und Bruder begegnen. Danke, dass du mich in deine Familie berufen hast! Danke, dass deine Mutter nun auch meine Mutter sein darf. Hilf mir, meine Mitmenschen als meine Brüder und Schwestern zu erkennen und zu behandeln.

Bitte: Herr, ich möchte wirklich mein Leben an dir, meinem Gott, ausrichten und deinen Willen erfüllen. Bitte hilf mir dabei.

1. Familienbande anno 30. Jesus hat Nazareth seit einiger Zeit verlassen und zieht als Wanderprediger durchs Land. Viele Menschen fühlen sich von ihm angezogen – aber es gibt auch Gegner, und die finden sich leider in den Reihen derer, die als religiöse Autorität anerkannt waren. Das konnte auf Dauer gefährlich werden. Schon vor der Episode mit den Schriftgelehrten hatte Jesu Familie sich aufgemacht, um ihn "mit Gewalt zurückzuholen, denn sie sagten: Er ist von Sinnen." Nun sind sie noch einmal da – vielleicht auch aus Sorge um den eigenen guten Ruf? Als Familie eines religiösen Schwärmers dazustehen, ist nicht sonderlich angenehm; heute nicht, und damals erst recht nicht. Gut möglich, dass Jesu Angehörige ihn (und sich) retten wollten, indem sie ihn wieder nach Hause holten – in den sicheren Hafen von Tradition, Familienehre und Rechtgläubigkeit.

2. Mangelndes Entgegenkommen. Leider misslingt das Unternehmen vollständig. Jesus denkt gar nicht daran, seiner draußen wartenden Verwandtschaft (warum sind sie wohl nicht direkt zu ihm gegangen?) "entgegenzukommen", weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne. Stattdessen bezeichnet er die um ihn sitzenden Menschen – seine Jünger – als "meine Mutter und meine Brüder". Dieses Verhalten wäre selbst heute ein Affront – wie viel mehr damals, gegenüber einer orientalischen Großfamilie… Warum tut er seiner Mutter das an? Hat er aus der Geschichte im Tempel, zwanzig Jahre vorher, nichts gelernt? Oder sollte man eher sagen, seine Familie hat nichts gelernt? Damals blieb Jesus (von seinen Eltern unerkannt) im Tempel zurück, um bei seinem himmlischen Vater zu bleiben. Jetzt baut er seine "himmlische Familie" auf, ohne Rücksicht auf Blutsverwandtschaft. Familie ist wichtig, Jesus leugnet das nicht. Aber er definiert Familie neu, über die biologischen Beziehungen hinaus. Wichtiger als die gemeinsame DNA ist der gemeinsame Glaube! Die daraus entstehende Familie - die Kirche - entwickelt das natürliche Familienkonzept weiter in eine weltumspannende Dimension – und löst dabei die klassische Familie nicht auf! Jesus ist weder ein Kibbuznik der ersten Stunde, noch propagiert er eine christliche Form von Sozialismus, bei dem die biologische Familie überflüssig wird, weil kirchliche Institutionen die Erziehungsaufgaben übernehmen. Aber für ihn ist die Rangordnung klar: An erster Stelle steht das Reich Gottes – und eine Verwandtschaft, die da nicht mitmacht, bleibt vorerst draußen vor der Tür.

3. Der Kreis um Jesus. Die Jünger sitzen im Kreis um Jesus und hören ihm zu. Er ist ihr Mittelpunkt. Das Zentrum unseres Glaubens ist ER – nicht ein Buch, eine Lehre oder eine Aufgabe! Christus ist in diese Welt gekommen, um den Willen Gottes zu erfüllen – und jeder, der ihm darin nachfolgen möchte, gehört zu seiner Familie – ist für ihn Mutter, Bruder, Schwester… nur nicht Vater, denn diese Stelle kann nur Gott Vater einnehmen. Dabei verstößt Jesus in keiner Weise gegen das 4. Gebot, denn sein Angebot bezieht auch seine Angehörigen mit ein. Später werden sie mit zur ersten Gemeinde gehören. Und Maria wird vom Karfreitag an die Mutter aller sein, die an Christus glauben. Louis Evely schreibt dazu: "Ich stelle mir vor, dass die Umstehenden das Bewusstsein großer Freude hatten. Dass sie stolz waren und sich gegenseitig beglückwünscht haben: ‚Ich bin der Bruder, die Schwester, die Mutter des Messias!‘ Maria, die offenkundig im Stich gelassen wurde, hat dieses Wort aufgenommen und in ihrem Herzen wohl überlegt. Aber auf Kalvaria war nur jene da, der dieses Wort weh getan hatte, war nur sie allein da. Und alle anderen waren verschwunden, die in diesem Wort ihren Ruhm gesucht hatten!"

Gespräch mit Christus: Herr, du hast deine Familie in Nazareth zurückgelassen, um gegen alle Widerstände den Auftrag deines Vaters zu erfüllen. Du schenkst mir dieses kurze Leben, um deinem Ruf zu folgen und bietest mir an, Teil deiner Familie zu werden. Hilf mir, das Reich Gottes über alles andere zu stellen und das zu entfalten, was du in mich hineingelegt hast.

Möglicher Vorsatz: Heute will ich auch demjenigen in Nächstenliebe begegnen, der mir rein menschlich unsympathisch ist.

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