Tägliche Meditationen
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Freitag,
10. Juni 2022

Das große Missverständnis

Freitag der zehnten Woche im Jahreskreis

Beate Scheilen

Mt 5,27-32
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen. Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt. Ferner ist gesagt worden: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt, muss ihr eine Scheidungsurkunde geben. Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus; und wer eine Frau heiratet, die aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.

Einführendes Gebet: Herr, deine Worte sind hart - aber ich weiß, dass du uns immer die Wahrheit sagst, und dass du sie aus Liebe sagst. Lass mich nicht vor deiner Botschaft davonlaufen, oder nur die Stellen auswählen, die mir angenehm sind. Ich möchte dir ganz nachfolgen.

Bitte: Hilf mir, Jesus, mich von allem zu trennen, dass der Freundschaft mit dir im Wege steht.

1. Die Hölle ist abgeschafft. Diese Stelle passt so gar nicht zum Bild vom "lieben Jesus", das viele sich heutzutage so gerne zurechtmachen. Erwähnungen der Hölle sind offenbar aus der Mode gekommen. Ich erinnere mich an keine einzige Predigt dieser Art in den letzten ca. 50 Jahren. Offenbar wird hier ein Aspekt des Evangeliums systematisch vernachlässigt. Warum wohl? Betrachten wir mal zwei Aspekte:

2. Die Macht der Gedanken. Erstens: Schon was ich in Gedanken erwäge, bewirkt etwas – nicht erst die vollzogene Tat! Die derzeit gerne zitierten "Humanwissenschaften" belegen, dass stetig genährte gedankliche Vorstellungen sich irgendwann in der Realität auswirken. Es geht also hier nicht darum, dass alles gleich Sünde ist, was mir durch den Kopf geht. Wir können uns seltsamer Gedanken oft gar nicht erwehren. Es macht aber einen Unterschied, ob ich eine Gedankenkette sofort zerschneide, sobald ich ihre negative Ausrichtung erkenne (dann ist alles ok), oder ob ich diese Vorstellungen vielmehr hege und pflege. In diesem Fall habe ich "in meinem Herzen" die Tat bereits begangen! Wachsamkeit über meine Gedankenwelt ist also unerlässlich für ein Leben nach dem Evangelium! Unsere Umwelt fördert allerdings genau das Gegenteil…

3. Individuelle Entscheidung. Zweitens: Was mir fürs Überleben unentbehrlich erscheint (Auge, Hand…), ist angesichts meines ewigen Heils durchaus verzichtbar! Was? Alles, was ich meine, nötig zu haben (Job, Auto, das Smartphone, der Kaffee am Morgen…), soll ich wegwerfen, weil ich sonst in der Hölle lande? – Nein, so hat Jesus das nicht gesagt! Er sagt ausdrücklich: "Wenn X dich zum Bösen verführt… dann wirf es weg." Mein Verzicht muss ein "warum" haben. Es geht darum, das zu beseitigen, was meiner Beziehung zu Gott im Wege steht – nicht um ein Verzichten als Selbstzweck. Ob mein Smartphone mich zum Bösen verführt, hängt davon ab, wie und wofür ich es verwende! Dementsprechend entscheide ich, ob ich es wegwerfe, anders nutze oder weitermache wie bisher. Diese Entscheidung ist ganz individuell – mein Nachbar kann mit gutem Gewissen genau das Gegenteil tun!

Gespräch mit Christus: Herr, ich danke dir, dass du uns die Folgen unseres Tuns nicht verschweigst und sie auch nicht beschönigst! Und dass du trotzdem nicht verlangst, dass wir Gott pauschal "alles opfern" müssen. Bitte hilf uns, dass wir dieses große Missverständnis endlich einmal aufklären!

Vorsatz: Heute werde ich einmal darüber nachdenken, was ich "wegwerfen" sollte, um näher bei Jesus sein zu können.

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