Mittwoch,
8. November 2017
Verrückte Bedingungen
Mittwoch der einunddreißigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Willehad, Bischof
Hl. Gregor OSB,
Abt
Hl. Gottfried OSB, Bischof
Hl. Johannes Duns Scotus OFM
Beate Scheilen
Lk 14,25-33
In jener Zeit als viele Menschen Jesus begleiteten, wandte er sich an sie und sagte:
Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein
Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der
kann nicht mein Jünger sein. Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin
und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das
Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertig stellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn
verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen. Oder wenn ein König
gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit
seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es
nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden.
Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.
Einführendes Gebet: Jesus, ich möchte gut zuhören, was du mir in dieser Zeit der Betrachtung sagst. Ich möchte deine Worte für mein Leben in der Welt ernst nehmen und sie nicht nur als Anleitung für Leute in Klöstern verstehen.
Bitte: Herr, gib mir das Verlangen und den Mut, deinen Forderungen an mich zu entsprechen.
1. Paradoxe AGB. Wer heutzutage einen Vertrag abschließt, wird regelmäßig aufgefordert, zunächst einmal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz: AGB, zu lesen und zu akzeptieren. Jesus hält für diejenigen, die sich überlegen, in seine Nachfolge zu treten, auch eine Art AGB bereit. Dort geht es allerdings nicht um die Übergabe von Geld und Waren, sondern um die Übergabe des eigenen Lebens – komplett, ganz, radikal und ohne 14tägiges Widerrufsrecht. Seine nächsten Verwandten quasi abschreiben, das eigene Leben "gering achten" – was auch immer das heißt – und dann noch ein Kreuz auf sich nehmen: Wer soll denn bitte unter diesen Bedingungen bei Jesus in die Lehre gehen wollen? Der Mensch schätzt doch von Natur aus nichts höher ein als das eigene Leben, seine Familie und seinen Besitz, aber auf den soll man ja gerade komplett verzichten - so kann man doch nicht überleben! Und das soll zum Glück führen? Das ist ja paradox! Möchte Jesus eigentlich keine Gefolgsleute haben? Oder vielleicht nur ein paar komische, die ohnehin nicht ganz richtig ticken? Oder ist das alles nur symbolisch gemeint und muss gar nicht so streng gelebt werden? – So ähnlich hat wohl jeder gedacht, als er diese Stelle zum ersten Mal ernsthaft gelesen hat.
2. Gott will nicht nur mein Portemonnaie. Was ist also davon zu halten? Jesus stellt einen Anspruch. Einen sehr hohen Anspruch, den er nur stellen kann, weil er ist, wer er ist – nämlich Gott. Er möchte nicht Fans, sondern Nachfolger, die ihr Leben an seinem orientieren! Aber nur dann kann ich mich wirklich so nennen, wenn er der Herr meines ganzen Lebens ist, nicht nur eines Teils davon. Wenn ich eifrig für die Armen spende, aber Jesus in meiner Sexualität außen vor lasse, kann ich nicht sein Jünger sein. Wenn ich mich an alle Moralvorschriften halte, aber mein Geld für mich behalten will, kann ich es auch nicht. Und wenn Jesus für mich wirklich nur ein Weisheitslehrer ist, der mir Tipps für den Umgang mit meinen Mitmenschen gibt, stehe ich bloß menschlichen Ideen hierüber (Yoga etc.)näher als dem Gedankengut der Kirche. Gut, aber sollen wir denn alle als Wanderprediger durch die Lande ziehen? Wohl kaum, denn dann würde die Gesellschaft ja zusammenbrechen und die Menschheit außerdem alsbald aussterben. Jesus hat Martha, Maria und Lazarus nie aufgefordert, ihr schönes Haus zu verkaufen und mit ihm durch Palästina zu ziehen. Gleichwohl hat er andere durchaus um solche Maßnahmen gebeten, wie z.B. den namenlosen "reichen Jüngling", der sich aber leider nicht von seinem Geld trennen wollte. Wen Jesus auf diesen Weg ruft, der tut gut daran, auf den Ruf zu antworten, denn der, der uns geschaffen hat, weiß auch, auf welchem Weg wir unsere Erfüllung finden.
3. Gott will mich mit Haut und Haaren. Wem das immer noch absurd und vermessen vorkommt, der möge sich vor Augen führen, wie viele weltliche Mächte es gibt, die "den ganzen Menschen fordern". Wer im II. Weltkrieg als Soldat eingezogen wurde, weiß, was ich meine. Andere setzen fast ihre gesamte Lebenszeit freiwillig für einen Leistungssport oder ein sehr intensiv betriebenes Hobby ein. Wenn diese rein materiellen Dinge es wert sind, ihnen mein Leben zu widmen - warum sollte Gott, unser Schöpfer, es dann nicht wert sein? Im Grunde ist ER der Einzige, der diesen Anspruch, uns quasi "mit Haut und Haaren" in Besitz zu nehmen, wirklich stellen darf. Jeder Andere, der dies von uns verlangt, führt uns in Abhängigkeit und Sklaverei. Gott führt uns in die Freiheit. Wie abhängig bin ich von Menschen und Dingen? Kann ich auch mal verzichten, oder "muss" ich diesen Menschen, dieses Essen, diese Fernsehsendung "haben"? Es lohnt sich, das im Selbstversuch herauszufinden. Und zu merken: Verzicht macht frei – frei für die Beziehung mit Gott! Der mir alle schönen Dinge gerne schenkt, solange ich nicht mein Herz mehr daran hänge als an ihn. Denn das soll ihm allein ganz vorbehalten sein. Jesus ist aber Realist genug, um uns vor Übertreibungen zu warnen. Aus gutem Grund vergleicht er unser geistliches Leben mit dem Bau eines Turms und sogar mit einem Krieg. Beides macht man nicht mal eben so nebenbei. Es braucht eine gute Vorbereitung, Durchhaltevermögen und vor allem die realistische Einschätzung, ob die Sache für mich zu schaffen ist. Wenn ich merke, dass ich damit überfordert bin, sollte ich lieber "kleinere Brötchen backen". Gott geht es nicht darum, ob ich Straßenkehrer oder Staatenlenker war. Es geht ihm darum, wie ich auf seinen Ruf zur Nachfolge im Rahmen meiner Möglichkeiten geantwortet habe. Maria war damals ein unbedeutendes Mädchen aus einem kleinen Dorf. Sie hat weder Bücher geschrieben noch ein Unternehmen aufgebaut und auch kein Land regiert. Aber heute ist sie nach Jesus der wichtigste Mensch im Himmel. Weil sie in jedem Moment ihres Leben Ja gesagt hat zu Gottes Auftrag an sie.
Gespräch mit Christus: Jesus, ich möchte mit dir gehen, wohin DU willst! Nur das wird mich wirklich glücklich machen. Hilf mir, das nicht schnell wieder zu vergessen, sobald das Leben schwierig wird!
Möglicher Vorsatz: Diesen Monat werde ich mir eine Stunde Zeit nehmen, um mein geistliches Leben zu betrachten. Wie sieht mein persönlicher "Turm" aus? Reichen meine Mittel, um ihn zu bauen? Oder könnte ich vielleicht sogar höher bauen?