Tägliche Meditationen
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Samstag,
10. August 2019

Die andere Seite der Medaille

Hl. Laurentius, Diakon, Märtyrer
Fest

P. Joachim Richter LC

Joh 12,24-26
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.

Einführendes Gebet: Mein Herr Jesus Christus, ich will leben! Ich will mich entfalten, will die Fülle dieses Lebens erleben. Du selbst bist diese Fülle, o Herr. Aber an deinem irdischen Leben, Jesus, sehe ich, dass die Fülle des Lebens nur eine Seite der Medaille ist; die andere Seite ist notwendig und kommt zuerst: Das Weizenkorn muss sterben.

Bitte: Mehre mein Vertrauen auf dich, mein Herr, dass du mich durch das Sterben ins Leben führen wirst, wo es kein Leiden und keinen Tod mehr gibt.

1. Transformation in der Natur. Wie schön ist es, wenn man im Sommer an Weizen- oder Gerstenfeldern vorbeigeht. Es sieht aus wie ein goldfarbenes Meer. Die sich im Wind sanft hin und her wiegenden Ähren sind wie Wellen im Ozean. Woher kommt dieses Ährenmeer? Wie ist es entstanden? Wenn man die Entwicklung verfolgt, kann man etwa folgende Entwicklungsstufen sehen: Der Bauer sät Weizenkörner in Ackerfurchen. Die Weizenkörner werden mit Erde bedeckt. Die Schale der Weizenkörner quillt auf. Die Keimlinge in der Erde bilden Wurzeln. Die Halme werden größer. Die Ähren wachsen heran.Wenn ich mir vorstelle, dass ich ein Samenkorn wäre und in die Erde geworfen und mit Erde "begraben" würde, wie schrecklich wäre diese Vorstellung! Wie in einem dunklen Grab löst sich das Samenkorn auf. Aber es hört nicht auf zu existieren. Durch das Wasser und die Nährstoffe aus dem Boden wird es umgewandelt in eine neue Pflanze, die wächst und wächst, reift und sich vervielfacht!

2. Wo man täglich sterben kann. Wo ereignet sich das Sterben des Weizenkorns in meinem Leben? Wo bin ich berufen zu sterben, damit vielfache Frucht entstehen kann? Jeder Tag bietet viele Möglichkeiten: Ich möchte eine Sendung im Fernsehen anschauen, aber da kommt meine kleine Tochter (oder jemand anderes) und braucht mich, dass ich ihr zuhöre. Da habe ich Gelegenheit, meinem Wunsch nach Relaxen zu sterben. Oder: Im Gespräch werden schnell verschiedene Ansichten erkennbar. Ein Streit bahnt sich an. Da verzichte ich darauf, Recht oder das letzte Wort haben zu wollen und höre lieber respektvoll zu. Oder: Ich sehne mich nach Anerkennung und merke im Gespräch, dass bei meinem Gegenüber der Tank leer ist: Er braucht Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Da verzichte ich auf meinen Wunsch nach Geltung und schenke dem anderen liebevolle Zuwendung.

3. Christliche Liebe versus andere Vorstellungen von Liebe. Jesus Christus ist der Herr des Universums und der König der Könige. Und dennoch ist er nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um freiwillig selber die Rolle eines Dieners einzunehmen. Als er, nachdem er seinen Jüngern die Füße gewaschen hatte, sagte: ‚Liebt einander, wie ich euch geliebt habe‘, da wurde klar, dass die Liebe, zu der Christus uns führen will, keine platonische, romantische oder emotionale Liebe ist, sondern eine sich selbst verschenkende, selbstlose Liebe, die immer auf das reale Wohl des anderen fokussiert ist.

Gespräch mit Christus: Herr, deine Worte klingen paradox: sterben um zu leben? Aber danke, dass du nichts von uns verlangst, was du nicht zuvor schon selber gelebt hast. Deine große Liebe zu uns hat dich so weit gebracht, dass du dein Leben für uns hingegeben hast, für uns, "deine Freunde", wie du selbst uns genannt hast. Danke, dass du mir ein Beispiel für wahre Hingabe-Liebe gegeben hast. Und bitte lass mein Vertrauen auf dich größer werden.

Vorsatz: Ich überlege, wo ich an manchen Wünschen vielleicht unbewusst, aber so unnachgiebig festhalte, dass ich Christus eigentlich nicht mehr authentisch nachfolge. Wo ruft Gott mich, loszulassen und meine Absicht zu reinigen: Gott dienen zu wollen und dazu das eigene Leben gering zu achten?

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