Tägliche Meditationen
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Freitag,
21. März 2008

Seht, da ist der Mensch

Karfreitag

P. Shane Lambert LC

Joh 19,1-37
Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: Heil dir, König der Juden! Und sie schlugen ihm ins Gesicht. Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen. Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht, da ist der Mensch! Als die Hohenpriester und ihre Diener ihn sahen, schrien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm! Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn, und kreuzigt ihn! Denn ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen. Die Juden entgegneten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben, weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat. Als Pilatus das hörte, wurde er noch ängstlicher. Er ging wieder in das Prätorium hinein und fragte Jesus: Woher stammst du? Jesus aber gab ihm keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat. Daraufhin wollte Pilatus ihn freilassen, aber die Juden schrien: Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt, lehnt sich gegen den Kaiser auf. Auf diese Worte hin ließ Pilatus Jesus herausführen, und er setzte sich auf den Richterstuhl an dem Platz, der Lithostrotos, auf hebräisch Gabbata, heißt. Es war am Rüsttag des Paschafestes, ungefähr um die sechste Stunde. Pilatus sagte zu den Juden: Da ist euer König! Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn! Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser. Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde. Sie übernahmen Jesus. Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus. Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag. Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst. Die Hohenpriester der Juden sagten zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben. Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus. Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass nun alles vollbracht war, sagte er, damit sich die Schrift erfüllte: Mich dürstet. Ein Gefäß mit Essig stand da. Sie steckten einen Schwamm mit Essig auf einen Ysopzweig und hielten ihn an seinen Mund. Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf. Weil Rüsttag war und die Körper während des Sabbats nicht am Kreuz bleiben sollten, baten die Juden Pilatus, man möge den Gekreuzigten die Beine zerschlagen und ihre Leichen dann abnehmen; denn dieser Sabbat war ein großer Feiertag. Also kamen die Soldaten und zerschlugen dem ersten die Beine, dann dem andern, der mit ihm gekreuzigt worden war. Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Und der, der es gesehen hat, hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr. Und er weiß, dass er Wahres berichtet, damit auch ihr glaubt. Denn das ist geschehen, damit sich das Schriftwort erfüllte: Man soll an ihm kein Gebein zerbrechen. Und ein anderes Schriftwort sagt: Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben.

Einführendes Gebet:   Herr Jesus, es ist mein sehnlichster Wunsch, dich in dieser Woche, in der du dein Leiden und deinen Tod für unsere Erlösung auf dich nimmst, zu begleiten. Ich bitte nur darum, dass mir der Glaube und die Ausdauer gegeben werden, damit ich den Fuß des Kreuzes erreiche. Lass meine Liebe so geläutert sein, dass du in mir lebst und nicht ich.

Bitte:  Herr, schenke mir die Gnade äußerster Beharrlichkeit im Glauben.

1. Scheinheilige Menschheit. Pilatus hat Jesus geißeln lassen. Was denkt Pilatus ‐ versucht er, die Wahrheit durch Schläge zu bezwingen? Kann er einen Weg finden, die Wahrheit zu unterwerfen, damit sie seinen Zwecken dient? Sobald jemand einen anderen missbraucht, verstärken andere schnell diesen Missbrauch. Die brutalen Soldaten verstanden die Herabwürdigung eines Königs durch Pilatus. Sie spotteten sofort: „Heil dir, König der Juden.” Mit grausamem Humor wird Christus mit einer Dornenkrone und einem purpurroten Mantel dekoriert. Die Wahrheit steckt einen weiteren Schlag ein. Die Ironie ist, dass der Mensch häufig Mitleid sucht, weil er die Wahrheit geopfert hat: „Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen.” Mache ich jemals einen Märtyrer aus mir, wenn es sich herausstellt, dass jemand anders den Preis für meine Schwäche zahlt? Pilatus gibt vor, ein Mensch zu sein, der Zuflucht zur Gewalt nimmt, während ihm selbst aber der Mut fehlt, für die Wahrheit einzustehen. „Seht, da ist der Mensch”: der Mensch Pilatus wagt es erst, sich so darzustellen, als ob er dem Menschen überlegen sei, nachdem er Letzteren bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen hat.

2. Machtspiel. Pilatus bestraft skrupellos einen unschuldigen Menschen: er übt gottähnliche Macht aus, wenn er, trotz des Urteils „ich finde keine Schuld an ihm”, fortfährt, ihn um der Demonstration seiner Macht willen blutig zu schlagen. Skrupellosigkeit fürchtet nicht das Böse, außer wenn ihre Ansprüche auf Vorrangstellung aufgegeben sind. Pilatus maßte sich an, diese Person auf ein Objekt politischen Nutzens zu reduzieren, aber duckte sich feige bei dem Vorwurf, er hätte auf diese Weise den besagten Sohn Gottes missbraucht. Sein Stolz, der versucht hatte, alles zu beherrschen, war von seiner latenten Unwissenheit bedroht: daher verlangt Pilatus, von Jesus zu erfahren, „Woher stammst du?” Seine Arroganz fährt fort, sich herabzulassen zu dem Einen, der gut beweisen könnte, dass er sein Meister ist: Jesus aber lehnt es ab, von seinem Einfluss beherrscht zu werden. Muss Christus auch auf meine unberechtigten Forderungen immer schweigen? Wenn ich Tugendhaftigkeit besitze, sollte ich sie nutzen, um Gott und meinen Nächsten zu lieben, nicht mich selbst. Wenn Pilatus Macht hat, dann ist er gehalten, sie für das Allgemeinwohl einzusetzen und gleichzeitig die Würde des einzelnen zu respektieren. Jesus antwortet: „Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre.”

3. Kinder Gottes durch den Sohn. Jesus ist dabei zu beweisen, dass, „wenn das Weizenkorn stirbt, es reiche Frucht bringen wird.” Er opfert sein Leben am Kreuz. Ich bin aufgerufen, mit Johannes und Maria am Fuß des Kreuzes zu stehen. Durch sein Wort und das Wasser, das aus seiner Seite floss, bin ich ein Kind Gottes durch Gottes Sohn geworden. Jesus sagt zu seiner Mutter „Frau, sieh dein Sohn” und zu seinem Jünger „sieh, deine Mutter”. Maria ist die Mutter aller Christen geworden, denn diejenigen, die den gekreuzigten Christus annehmen, sind Söhne und Töchter Gottes geworden. Jesus dürstet nach Seelen. Er kam in die Welt, um die Seinen zu erlösen. Wenn er einmal unsere Herzen für sich gewonnen hat, kann er sagen, „es ist vollbracht”. Ich will also treu nach seinem Gebot der Liebe leben, damit andere durch mein wahrhaftiges Zeugnis für ihn zum Glauben kommen können.

Gespräch mit Christus:  Herr, lass mich nicht wie die Heiden sein, die danach trachten, andere zu beherrschen. Lass mich lieber deinem Beispiel der Demut und Nächstenliebe folgen. Gewähre mir, wahrhaftig in meiner Hingabe zu sein, auch wenn ich für die Wahrheit leiden muss, damit ich dein treuer Zeuge sein kann.

Vorsatz:   Heute will ich von meiner Überzeugung für meinen christlichen Glauben und der christlichen Sittenlehre in einem Gespräch mit anderen etwas mitteilen, auch auf die Gefahr hin, dass ich dafür Spott ernten könnte.

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