Tägliche Meditationen
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Samstag,
28. Januar 2017

Schwacher Mensch, starker Gott

Gedenktag
Hl. Thomas von Aquin, Kirchenlehrer

Beate Scheilen

Mk 4,35-41
An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; einige andere Boote begleiteten ihn. Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm, und die Wellen schlugen in das Boot, so dass es sich mit Wasser zu füllen begann. Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich, und es trat völlige Stille ein. Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? Da ergriff sie große Furcht, und sie sagten zueinander: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar der Wind und der See gehorchen?

Einführendes Gebet: Jesus, du bist Gott, aber auch ein echter Mensch und hattest zu deiner Erdenzeit auch Schlaf nötig. Wenn du schon nicht pausenlos arbeiten konntest, so kann ich es sicher auch nicht. Hilf mir, meine Grenzen, die ich als Mensch habe, zu erkennen und zu berücksichtigen.

Bitte: Herr, hilf mir, in allen Stürmen dieses Lebens darauf zu vertrauen, dass du immer mit im Boot bist.

1. Jesus ist Mensch. Hier beginnt eine Serie von Erlebnisberichten, die Jesus als den Herrn zeigen: Er ist der Herr über die Mächte der Natur, über Dämonen, über Krankheiten und selbst über den Tod! Aber zunächst einmal erleben wir ihn als Menschen. Was geschieht? Die Jünger fahren mit Jesus im Boot über den See, und während der Überfahrt schläft er ein. Sein Schlaf ist so tief, dass er noch nicht einmal bemerkt, dass sich ein Sturm aufgeworfen hat und das Boot kurz davor ist, unterzugehen. Jesus schläft sicher nicht, um seinen Jüngern eine pädagogische Lektion in Gottvertrauen zu geben. Er schläft, weil er sich in seiner Lehrtätigkeit restlos für seine Mitmenschen verausgabt hat und nun völlig erschöpft ist. Gott ist als Mensch auf der Erde erschienen, "in allem uns gleich, außer der Sünde", wie es in einem Hochgebet heißt. Dazu gehört auch, dass er essen und schlafen muss. Von beidem bekam er während seiner drei Wanderjahre wenig genug. Die Menschen, die ihn umdrängten, und denen zu helfen er gekommen war, ließen ihm nicht viel Zeit, für das eigene Wohl zu sorgen.

2. Jesus ist besonders. Die Jünger haben dafür offenbar wenig Verständnis. Sie wecken ihn und behaupten ernsthaft, es sei ihm wohl egal, dass sie jetzt sterben müssten: "Meister, kümmert es dich nicht…?" Dass sie ihn gerade jetzt "Meister" nennen, verstärkt den Vorwurf noch. "Du bist doch für uns verantwortlich! Wir haben für dich alles verlassen, jetzt kümmere dich um uns! Sollen wir hier etwa deinetwegen untergehen?!" - Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Sobald wir in irgendeine unangenehme Lage geraten, in der Gott uns nicht so hilft, wie wir das gerade erwarten, drängt sich uns schnell ein ähnlicher Vorwurf auf die Lippen: "Gott, wo bleibst du denn? Bin ich dir egal? Ich habe doch so viel für dich aufgegeben und arbeite so eifrig für dich! Willst du mir denn jetzt nicht helfen?" O ja, der Mensch an sich bleibt doch immer gleich…Ich stelle mir vor, dass Jesus, nachdem er wach wurde, erst einmal "abwarten und bis zehn zählen" musste, um die Dreistigkeit seiner Jünger zu verarbeiten. Meinen sie tatsächlich, er habe sie handverlesen ausgesucht und ausgebildet, um sie dann beim erstbesten Sturm untergehen zu lassen? Was soll Jesus ihrer Meinung nach denn jetzt tun? - Meinen wir wirklich, Gott habe uns das Leben geschenkt, uns in seine Familie eingeladen und uns beauftragt, seine Botschaft weiterzugeben – um uns dann bei der erstbesten Gelegenheit im Stich zu lassen?

3. Jesus ist Gott. Jesus fragt aber erst gar nicht, was die verängstigten Jünger jetzt wohl von ihm erwarten. Ihre Vorschläge hat er nicht nötig, zudem bleiben sie weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Jesus steht einfach auf und sagt zu dem See: "Gib Ruhe!" Wer schon mal am Meer war, der weiß, wie lange eine bewegte Wassermasse braucht, um sich zu beruhigen. Aber nach dem Machtwort Jesu ist der See von einem Moment auf den anderen "völlig still". Die Jünger sind schockiert. Vermutlich wissen sie gerade nicht, vor wem sie sich mehr fürchten sollen: Vor dem Sturm, oder vor Jesus, der mit dem Sturm spricht, als habe er ein unartiges Kind vor sich, das er ganz offensichtlich aus eigener Vollmacht zur Räson bringt. "Wer ist das…?", fragen sie sich. Die Antwort liegt auf der Hand: Jesus ist Gott. Deswegen gehorcht ihm die Natur. Seltsam, dass er seine Macht vorher nicht dazu verwendet hat, seine Müdigkeit zu beseitigen, nicht wahr? Jesus nutzt weder hier noch sonst jemals seine göttliche Macht aus, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Er zaubert sich in der Wüste kein Brot herbei, als er Hunger hat – macht aber aus fünf Broten ein Essen für Tausende Menschen. Er überlässt sich dem Schlaf – aber er überlässt seine Jünger nicht ihrer Angst, unterzugehen. - Nach welchen Kriterien handele ich?"In unsrer Schwachheit erschien er als Mensch, in seinen Wundern als Gott; mächtig, wenn er die Dämonen beherrscht; gütig und barmherzig, wenn er die Sünder aufnimmt; menschlich war sein Hungern, göttlich die Vermehrung der Brote; menschlich sein Schlaf im Fischerboot, göttlich sein Befehl an das Meer." (aus einer Predigt von Aelred von Rievaulx, gest. 1167)

Gespräch mit Christus: Herr, du hast deine Macht nie ausgenutzt, um dir selbst ein schönes Leben zu machen – hast aber alles für die Menschen getan, wenn sie etwas nötig hatten. Ehrlich gesagt, mache ich es manchmal genau umgekehrt… ich nutze die mir gegebenen Mittel erst einmal, um mir selbst zu helfen. Hilf mir, Herr, deinem Vorbild nachzueifern, auch wenn es vielleicht erst einmal in kleinen Dingen geschieht!

Möglicher Vorsatz: Ich werde heute darüber nachdenken, wie ich mit meinen Mitteln (Zeit, Geld, Talente…) einem anderen Menschen helfen kann, und dafür selbst auf etwas verzichten.

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