Sonntag,
18. März 2012
Der Glaube kann durch Widerstand wachsen
Vierter Sonntag in der Fastenzeit
P. Steven Reilly LC
Joh 9,1-41
Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine
Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, sodass er blind geboren
wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm
offenbar werden. Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es
kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der
Welt. Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich
ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt
übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen. Die
Nachbarn und andere, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß
und bettelte? Einige sagten: Er ist es. Andere meinten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber
sagte: Ich bin es. Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden? Er antwortete: Der Mann, der
Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach und wasch
dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte wieder sehen. Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es
nicht.
Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte. Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Der Mann antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen; dann wusch ich mich und jetzt kann ich sehen. Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen. Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet. Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des Geheilten und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr behauptet, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sehen kann? Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wie es kommt, dass er jetzt sehen kann, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen. Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Messias bekenne, aus der Synagoge auszustoßen. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt doch ihn selbst. Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehen kann. Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt auch ihr seine Jünger werden? Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt. Der Mann antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet. Wir wissen, dass Gott einen Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er. Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat. Wenn dieser Mensch nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können. Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.
Jesus hörte, dass sie ihn hinaus gestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? (Sag es mir,) damit ich an ihn glaube. Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es. Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder. Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind? Jesus antwortete ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.
Einführendes Gebet: Vater, ich komme zu dir wie der blindgeborene Mann. Ich bin ganz von deiner Gnade abhängig. Ich will dir meine Liebe zeigen, indem ich mich den Gnaden, die du mir durch diese Betrachtung geben willst, ganz öffne.
Bitte: Herr, gib mir einen Glauben, der wächst, wenn er auf Widerstand trifft.
1. Wer hat Schuld? Der blindgeborene Mann, der um Almosen bettelte, hat sicherlich auf die Vorübergehenden keinen großen Eindruck gemacht. Viele haben vielleicht aus Mitleid etwas Kleingeld in die Büchse geworfen, und dachten dabei, dass er wahrscheinlich einmal ein Sünder gewesen sei. Auch die Jünger dachten ähnlich, obwohl sie doch die vielen Gleichnisse Jesu über die Barmherzigkeit gehört hatten. Um nicht ein zu strenges Urteil zu treffen, schlagen sie eine andere Möglichkeit vor: Vielleicht sind ja die Eltern schuld am Schicksal dieses Mannes. Von den Jüngern wird ja oft gesagt, dass sie immer wieder etwas langsam seien, aber das lenkt nur davon ab, wo die Kritik eigentlich hingehen sollte: zu uns selbst. Wie oft fragen wir uns, ob Gott uns wirklich liebt, wenn schlimme Dinge passieren; wir ballen die Fäuste und murren: „Es ist ihm egal, wie es mir geht.” Jesu Antwort auf diesen Mangel an Glauben ist streng, aber auch tröstlich: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.”
2. Der Glaube kann durch Widerstand wachsen. Göttliche Strafe war also nicht der Grund für seine Blindheit. Sie sollte Gottes Wirken offenbaren. Wie würde das geschehen? Wenn es nur um die Heilung der Blindheit ginge, hätte die Begebenheit am Teich von Schiloach geendet, als er wieder sehen konnte. Jedoch erzählt der Evangelist weiter, was als nächstes passiert. Das bescheidene Leben des blinden Bettlers wurde mit einem Mal kompliziert. Statt Freude bei Freunden und seiner Familie über das erlangte Wunder anzutreffen, trifft er auf Konfrontation. Die Feindseligkeit ist groß; man kann sie bei den Pharisäern spüren. Trotz all dem bleibt der Mann standhaft in seinem Glauben an Jesus. In der Tat, mit jedem Angriff auf seine Glaubwürdigkeit, ja selbst als sich seine Eltern von ihm distanzieren, wächst die Beziehung des Mannes zu Jesus immer mehr. Das ist daran zu erkennen, wie er von Jesus spricht: „Der Mann Jesus” „Er ist ein Prophet” „Ich glaube, Herr.” Seine Achtung steigt von „Mann” über „Prophet” bis zu „Herr”: Hier kommt das Wirken Gottes in diesem unscheinbaren Apostel zum Ausdruck! Nehmen wir nun die Situationen in unserem Leben, die unseren Glauben auf die Probe stellen. Könnten wir nicht wie dieser Mann sozusagen den Spieß umdrehen und in diesen Situationen Gelegenheiten erkennen, die unseren Glauben stärken können? Könnten wir nicht wie er dadurch bessere Zeugen für Jesus werden?
3. Er betete ihn an. Der Glaube wächst nicht nur durch Widerstand, er kann sogar einen riesigen Sprung nach vorne machen. Im Neuen Testament finden wir vor der Auferstehung nirgends eine Stelle, wo Jesus „angebetet” wird. Der Mann, der einst blind war, wird wunderbar von Gott erleuchtet: Jesus ist Herr, Jesus ist Gott! Diese Gnade ist so groß, so wunderbar, dass es kein Zurückschauen mehr gibt. Der Mann wird aus der Synagoge ausgestoßen, was in der damaligen jüdischen Kultur einem Todesurteil gleichkam; vom Volk abgeschnitten, war er nun ein Niemand. Aber da ist kein Bedauern. Das Erfassen der geistigen Wahrheit, die erstaunliche Erkenntnis, wer Jesus ist, zahlt jeden Einsatz mehr als zurück.
Gespräch mit Christus: Herr Jesus, ich sehne mich danach, dir durch mein Leben zu gefallen. Hilf mir zu erkennen, wenn du Gottes Wirken durch mich offenbaren willst. Ich brauche oft lange, um in einer vorübergehenden Not etwas Positives zu sehen. Ich weiß aber, dass ich mit deiner Hilfe ein Zeuge für dich sein kann. Wie der Mann, den du von seiner Blindheit geheilt hast, rufe ich dir laut zu: „Ich glaube, Herr!”
Vorsatz: Wenn ich Not und Missgeschick erfahre, will ich noch fester als zuvor an Gott glauben.