Tägliche Meditationen
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Sonntag,
29. September 2019

Auf der Suche nach Gott

Sechsundzwanzigster Sonntag im Jahreskreis
Hll. Erzengel Michael, Gabriel, Rafael
Erzengel Michael, Patron der katholischen Kirche und der Deutschen (Michaelistag)

Br. Michael Hemm LC

Lk 16,19,31
In jener Zeit sprach Jesus zu den Pharisäern: Es war einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag für Tag glanzvolle Feste feierte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel. Stattdessen kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. Es geschah aber: Der Arme starb und wurde von den Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch der Reiche starb und wurde begraben. In der Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt, blickte er auf und sah von Weitem Abraham und Lazarus in seinem Schoß. Da rief er: Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und schick Lazarus; er soll die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen und mir die Zunge kühlen, denn ich leide große Qual in diesem Feuer. Abraham erwiderte: Mein Kind, erinnere dich daran, dass du schon zu Lebzeiten deine Wohltaten erhalten hast, Lazarus dagegen nur Schlechtes. Jetzt wird er hier getröstet, du aber leidest große Qual. Außerdem ist zwischen uns und euch ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund, sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte. Da sagte der Reiche: Dann bitte ich dich, Vater, schick ihn in das Haus meines Vaters! Denn ich habe noch fünf Brüder. Er soll sie warnen, damit nicht auch sie an diesen Ort der Qual kommen. Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören. Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, aber wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham zu ihm: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.

Einführendes Gebet: Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. (Ps 63,2)

Bitte: Jesus, ich bitte dich um Glauben, um zu sehen, wie du siehst, und um die geistliche Wirklichkeit wahrzunehmen.

1. Der Frevler und der Gerechte. Im Alten Testament begegnet uns an verschiedenen Stellen der Gedanke vom Unglück des Gerechten und vom Erfolg des Frevlers (vgl. Ps 44). Das Thema ist hochaktuell: Bei all dem Leid, all der Bosheit, Ungerechtigkeit und Kriminalität in unserer Welt fällt es vielen Menschen verständlicherweise schwer, an einen guten und allmächtigen Gott zu glauben, der sich persönlich für jeden einzelnen von uns interessiert. Im Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus spricht Jesus wohl auch dieses ungleiche Los an, das den Frevler und den Gerechten hier auf Erden trifft, und gibt uns eine Antwort auf die Frage, die es aufwirft. Mehr als uns nur auf das Jenseits zu vertrösten, lädt er uns ein, den Blick zu weiten, weg vom rein Materiellen, und auf Gott zu schauen. In seinem Buch "Jesus von Nazareth" beschreibt Papst Benedikt diese Änderung des Blickwinkels als ein "Wachwerden", in dem man wie aus einem Traum, einer Welt des Unwirklichen, des nur Materiellen, aufwacht und die eigentliche Wirklichkeit wahrnimmt, die Wirklichkeit Gottes.

2. Das Schweigen Gottes aushalten. Dieser Schritt ist jedoch nicht mit einem Mal vollzogen. Es ist ein langer Erziehungsprozess, der unser ganzes Leben andauert. Dabei hat Gott viel Zeit und lässt uns manchmal für unser Befinden zu lange warten, zum Beispiel wenn es uns schwer fällt zu glauben oder zu beten, wenn er in unserem Leben abwesend scheint oder wenn alles schiefläuft. Gott lässt uns diese Leere spüren, damit wir unsere Hoffnung nicht auf die Geschöpfe setzen, damit unsere Sehnsucht nach ihm wächst und damit unsere Entscheidung für ihn immer bedingungsloser wird. Der Reiche aus unserem Gleichnis hat dieses Schweigen Gottes (der angeblich in seinen Propheten keine klaren Anweisungen gibt) nicht ernst genommen und seine innere Leere mit Materiellem ausgefüllt. Doch er musste erfahren, dass all das ein Trugbild war, wie eine Fata Morgana, die uns in der Wüste erfrischendes Wasser vorgaukelt. Die Antwort auf unsere Sehnsüchte liegt aber tiefer. Wir müssen sie suchen.

3. Nur wenn einer von den Toten aufersteht… Jesus erzählt dieses Gleichnis den Pharisäern, die an anderen Stellen im Evangelium ein Zeichen von Jesus fordern (vgl. Mt 12,38; Mk 8,11). Auch der Reiche im Gleichnis fordert ein Zeichen für seine Brüder: dass Lazarus von den Toten zu ihnen kommt. Doch auch dann würden sie nicht glauben. Die Stelle erinnert uns zum einen an den Lazarus, den Jesus von den Toten auferweckt hat, was aber nur dazu führte, dass die Pharisäer ihr Herz noch mehr verhärteten (vgl. Joh 11). Zum anderen scheint hier die Figur Jesu durch. Seine Auferstehung ist das Ereignis, das Zeichen, durch das die erste Christengemeinde an ihn glaubt – und dieser lebendige Glaube ist über die Jahrhunderte auch bis zu uns gekommen.

Gespräch mit Christus: Ich will in Gerechtigkeit dein Angesicht schauen, mich satt sehen an deiner Gestalt, wenn ich erwache (Ps 17,15). Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe, von ihm kommt mir Hilfe (Ps 62,2).

Vorsatz: Ich werde heute in einem Moment der Stille erforschen, wo ich in meinem Leben Trugbildern hinterherlaufe und mein Leben neu an der Wahrheit ausrichten.

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