Tägliche Meditationen
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Donnerstag,
17. September 2020

Erkennen

Donnerstag der vierundzwanzigsten Woche im Jahreskreis
Hl. Hildegard von Bingen, Äbtissin (OSB), Mystikerin
Hl. Robert Bellarmin, Ordenspriester (SJ), Bischof, Kirchenlehrer

Angelika Knauf

Lk 7,36-50
In jener Zeit ging Jesus in das Haus eines Pharisäers, der ihn zum Essen eingeladen hatte, und legte sich zu Tisch. Als nun eine Sünderin, die in der Stadt lebte, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran. Dabei weinte sie, und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er: Wenn er wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, von der er sich berühren lässt; er wüsste, dass sie eine Sünderin ist. Da wandte sich Jesus an ihn und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen. Er erwiderte: Sprich, Meister! Jesus sagte: Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig. Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, erließ er sie beiden. Wer von ihnen wird ihn nun mehr lieben? Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr erlassen hat. Jesus sagte zu ihm: Du hast Recht. Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau? Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben; sie aber hat ihre Tränen über meinen Füßen vergossen und sie mit ihrem Haar abgetrocknet. Du hast mir zur Begrüßung keinen Kuss gegeben; sie aber hat mir, seit ich hier bin, unaufhörlich die Füße geküsst. Du hast mir nicht das Haar mit Öl gesalbt; sie aber hat mir mit ihrem wohlriechenden Öl die Füße gesalbt. Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie mir so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe. Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. Da dachten die anderen Gäste: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt? Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!

Einführendes Gebet: Jesus, dein Herz ist offen für jeden, der nach Erlösung hungert. Staunend stehe ich vor dir und möchte dir in rechter Weise antworten und dich ehren.

Bitte: Öffne mein Herz, befreie mich von meinem Selbstbehalt und aller Verstockung!

1. "Ich kenne die Meinen…". "Von hinten" tritt die Sünderin an Jesus heran. Also sieht er sie nicht kommen, doch kein Moment der Überraschung, der Verlegenheit oder Ablehnung ist bei ihm zu spüren. Zwischen ihm und der Sünderin scheint vom ersten Moment der Begegnung an schon ein tiefes Verstehen zu sein. Diese Frau nähert sich ihm voller Vertrauen. Sie weint, sie demütigt sich vor ihm, sie zeigt ihm Liebe. Jesus aber schaut auf das, was hinter ihren Gesten liegt, was ihr Herz aussagt. Er erkennt in ihr die erlösungsbedürftige und nach Erlösung hungernde Seele. Die Seele, die um ihr eigenes Elend aus der Sünde weiß, es ihm aber nicht verbirgt, weil sie auf sein Erkennen in Liebe hofft. Es ist diese Herzenshaltung, die eine Seele für Jesu Herz unwiderstehlich macht. In einer solch verwundeten, aber offenen Seele erkennt er seine Sendung. In ihr erkennt er sich, aber in sich erkennt er auch die Sünderin, denn er hat sie schon geliebt, bevor sie ihm begegnet ist. Er liebte sie von Uranfang an.

2. "…und die Meinen kennen mich...". Die Sünderin verdrängt ihr Elend nicht. Gerade ihr ehrlicher Blick auf sich selbst öffnet ihr Erkennen für Jesus. Sie erkennt ihn und vertraut. Sie gibt sich zu erkennen und liebt. Simon aber ist in völliger Verkennung gefangen, vor allem seines eigenen Zustands. Er wähnt sich überlegen. Nicht er sieht sich geehrt durch Jesu Besuch, darauf weisen seine unterlassenen Willkommensdienste hin, an die Jesus ihn erinnern muss. Er meint, Jesus müsse sich geehrt fühlen, in ein solches Haus der Rechtgläubigkeit eintreten zu dürfen. So verkennt er auch vollkommen die Größe der Tat dieser Sünderin. Er sieht nicht die Tiefe ihrer Demut, ihres Vertrauens, ihrer Offenheit des Herzens und ihrer Umkehr. Er erkennt sich; Jesus und sie aber in seiner Überheblichkeit nicht, darum bleibt ihm Jesu Wesen verschlossen und sein Blick blind für das Wunder, das hier geschieht.

3. "…wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne; und ich gebe mein Leben hin für die Schafe". Jesus lebt ganz aus seiner Sendung vom Vater, darin erkennt er sich auch als Mensch. Er ist Mensch geworden, um Versöhnung und Einheit, nicht Verurteilung und Trennung zwischen Gott und den Menschen zu wirken. Er kennt die Liebe des Vaters für die Menschen und will dieser Liebe in Einheit mit und für uns die Antwort der Liebe geben, die wir so oft verweigern. Er gibt sein Leben, damit wir durch ihn zum Vater kommen, doch diese Gabe seines Lebens ist angewiesen auf offene Herzen, die sie aufnehmen und sich von seinem Herzen aufnehmen lassen. Die Sünderin hat ein solches Herz, daher empfängt sie die Frucht der Hingabe Jesu: die Vergebung ihrer Sünden und so neues Leben in Gott. Simons Erkennen aber bleibt in seiner Selbstgewissheit gefangen, so kann er Jesus nicht erkennen und keine Einheit mit ihm empfangen.

Gespräch mit Christus: Jesus, wie groß ist meine Sehnsucht, wahrhaft erkannt zu werden – und sein zu dürfen. Mich in deiner Liebe zu entfalten und zu einem Leben in Fülle zu gelangen. Und doch ist da so oft Furcht und Scham, die mich hindern, die befreienden Tränen über mein Elend zu deinen Füßen zu weinen. Hilf mir zu kommen, hilf mir, mich dir zu offenbaren. Und dann richte mich auf und kleide mich neu mit deiner Liebe.

Vorsatz: Ich versuche heute in der Einsamkeit mit Jesus, ihm meine inneren Wunden offenzulegen, die die Sünde mir geschlagen hat und bitte ihn, mich auf den Weg der Heilung zu führen.

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