Tägliche Meditationen
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Mittwoch,
9. Mai 2007

Am Weinstock bleiben

Mittwoch der fünften Woche in der Osterzeit

P. Alex Yeung LC

Joh 15,1-8
Jesus sagte zu seinen Jüngern: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.

Einführendes Gebet:   Herr, wenn ich nun in diesem Moment der Stille zu dir komme, lass mein Herz sich öffnen für die Gnaden, die du mir geben willst. Ich glaube, dass du hier bist und mich begleitest. Ich vertraue darauf, dass du mein Herz gesucht hast und mir die Gnaden zuteil werden lässt, die ich am meisten brauche. Ich überlasse dir meinen Willen, damit mein Herz in deiner Liebe brennen möge.

Bitte:  Herr, reinige mein Herz, meinen Verstand und meine Seele, wie der Winzer den Weinstock reinigt, damit er gute und reichliche Frucht trägt.

1. Unsere Herzen rein halten. Nichts macht einen so makellosen Eindruck wie ein reifer Weinberg, wenn man durch ihn geht. Alles sieht so geordnet aus: in geraden Linien scheinen über einen halben Kilometer Stamm an Stamm zu stehen, niedrig über dem Boden mit gebogenen Reben und voller Weintrauben. Die Frucht ist so reichlich, dass die Reben auf den Boden gezogen zu sein scheinen. Allerdings sind die Weinstöcke von Natur aus nicht so. Weinstöcke pflegen unordentlich zu wachsen. Die Nährstoffe für den Weinstock sind oft erschöpft, so dass die Reben keine Früchte tragen. Der Winzer kennt das gut; wenn der Weinstock nicht gereinigt ist, kann er nicht reichlich Frucht tragen. Das Gleiche zeigt sich auch im geistigen Leben, wenn es unserer schwachen und gefallenen Natur überlassen bleibt. Wir müssen von diesem toten Holz gereinigt werden ‐ vor allem von unserem Egoismus ‐ der keine Frucht tragen kann. Täglich eröffnen sich viele Möglichkeiten, uns abzutöten, indem wir „nein” zu unserer Eitelkeit und Selbstsüchtigkeit sagen. Es schmerzt, wenn wir Gott und andere an die erste Stelle setzen sollen; wenn wir das aber tun, entdecken wir die wahre Freude der Liebe. Welche Gelegenheiten habe ich heute, meine Liebe zu zeigen? Je mehr ich mein Herz reinige, desto reifere Früchte der Liebe werde ich ernten.

2. Am Weinstock gedeihen. Einer der heikelsten Bereiche der Liebe, den es zu reinigen gilt, ist der meines eigenen Urteils. Wie oft habe ich hartnäckig darauf bestanden, dass ich es am besten weiß und jeder andere falsch liegt ‐ auch wenn die Chancen gegen mich standen! Die Beurteilung von Meinungen, besonders über die Wahrheit des Glaubens und der Sittlichkeit, beruht auf einer sehr persönlichen Überzeugung. Viele ernsthafte Gläubige müssen sehen, dass sie außerhalb der einen, heiligen und katholischen Kirche sind, weil ihre Auffassung nicht mit den Normen der christlichen Lehre übereinstimmt. Deswegen ermahnt uns Christus, am Weinstock zu bleiben, denn „wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt”. Einheit bedeutet nicht, sich das Beste herauszusuchen; sie verlangt vollkommene Übereinstimmung in Liturgie, Sakramenten, Lehre und Moral. Der große Mystiker Thomas von Kempen schrieb in einer seiner Meditationen in dem Buch „De Imitatione Christi -Von der Nachfolge Christi”, dass viele bereit sind, Christus beim Brotbrechen zu folgen, aber nur wenige von ihnen, auch aus seinem Kelch zu trinken. Habe ich eigene Auffassungen hinsichtlich Glauben und Moral, die mit den Lehren der Kirche nicht vollständig übereinstimmen?

3. Viel Frucht hervorbringen. Viele von uns haben vielleicht schon den Fehler gemacht, eine Packung zu öffnen und zu versuchen, ein Produkt zusammenzubauen, um schließlich doch nach einigen vergeblichen Versuchen den Stolz begraben zu müssen und erst einmal die Gebrauchsanweisung zu lesen. Dieses Ereignis lässt sich mit der Fruchtbarkeit unseres spirituellen Lebens vergleichen. Es begegnen uns Herausforderungen entlang unseres Lebensweges und wir ziehen uns auf unsere eigenen Möglichkeiten zurück. Höchst wahrscheinlich sind wir in unsere Leidenschaften verwickelt und haben etwas gesagt oder getan, was wir später bereuen, weil es nicht christlich war. Wie anders laufen die Dinge, wenn wir nur auf Christus ausgerichtet sind. Wenn ich in einem Leben der Gnade voranschreite, oft die Sakramente empfange, beständig in meiner Hingabe im Gebet bin und bewusst suche, Christus zu dienen, den ich in meinen Mitmenschen finde, dann bin ich wahrhaftig unbesiegbar. Das ist das Gebot zur Fruchtbarkeit: ich muss Christus zu meinem Leben machen. Oft wenden wir uns nicht an Christus, wenn alles andere versagt, doch um wie viel ruhiger würden unsere Tage sein, wenn wir ihn zuerst ausfindig machen würden. Jesus, lass heute deine Worte in meinem Herzen nachhallen, damit du in allem, was ich tue und sage, mehr Frucht hervorbringen kannst.

Gespräch mit Christus:  Herr, du kennst mein Herz. Reinige das, was gepflegt werden muss, wie ein guter Arzt schneidet, was er heilen möchte. Gib, dass ich den Schmerzen der Reinigung keinen Widerstand leiste; sie sind Züchtigungen der Liebe.

Vorsatz:   Ich will heute Christus fragen, was in mir gereinigt und gepflegt werden muss. Ich werde es ihm dann als ein gefälliges und annehmbares Opfer meiner Liebe zu ihm anbieten.

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