Donnerstag, 1. März 2007

1. Frage: Interessen des Papstes als Seminarist, Maria

Claudio Fabbri: Diözese Rom, 2. Studienjahr (2. Jahr Philosophie)

1. Heiliger Vater, wie war Ihr Leben in der Zeit der Ausbildung zum Priestertum gegliedert und welche Interessen pflegten Sie? Welches sind in Anbetracht der gemachten Erfahrung die Angelpunkte der Ausbildung zum Priesterberuf? Welchen Platz nimmt insbesondere Maria darin ein?

Benedikt XVI.: Ich denke, daß unser Leben im Priesterseminar in Freising sehr ähnlich gegliedert war wie das eure, auch wenn ich euren Tagesplan nicht genau kenne. Wenn ich mich recht erinnere, standen wir um 6.30 Uhr auf, dann folgte um 7 Uhr eine halbstündige Meditation, bei der ein jeder im Stillen mit dem Herrn sprach und so versuchte, sich geistig auf die Heilige Liturgie vorzubereiten. Dann folgte die heilige Messe, das Frühstück und dann am Vormittag die Vorlesungen.

Am Nachmittag gab es Seminare, Studienzeiten und dann noch das gemeinsame Gebet. Am Abend waren die sogenannten »puncta« angesetzt, das heißt, der Spiritual oder der Rektor des Seminars sprachen an den verschiedenen Abenden mit uns, um uns zu helfen, den Weg der Meditation zu finden, indem sie uns nicht eine fertige Meditation vorlegten, sondern uns Elemente an die Hand gaben, die jedem dabei helfen konnten, die Worte des Herrn, die Gegenstand unserer Meditation sein sollten, zur persönlichen Betrachtung zu machen.

So ging es Tag für Tag. Dann gab es natürlich die großen Feste mit einer schönen Liturgie, mit Musik Aber sehr wichtig zu sein scheint mir und vielleicht werde ich am Ende noch einmal darauf zurückkommen , eine Ordnung zu haben, die vor mir da ist, und mir nicht jeden Tag von neuem ausdenken zu müssen, was ich tun muß, wie ich leben soll; es gibt eine Regel, eine Ordnung, die schon auf mich wartet und mir hilft, diesen Tag geordnet zu leben.

Was nun meine Vorlieben betrifft, so folgte ich natürlich, so weit ich es konnte, aufmerksam den Vorlesungen. Am Beginn, in den beiden ersten Jahren in der Philosophie hat mich von Anfang an vor allem die Gestalt des hl. Augustinus fasziniert und dann auch die augustinische Strömung im Mittelalter: der hl. Bonaventura, die großen Franziskaner, die Gestalt des hl. Franz von Assisi.

Faszinierend war für mich vor allem die große Menschlichkeit des hl. Augustinus, der ja nicht die Möglichkeit hatte, sich einfach mit der Kirche zu identifizieren, weil er von Anfang an Katechumene gewesen wäre, sondern geistig kämpfen mußte, um allmählich den Zugang zum Wort Gottes, zum Leben mit Gott zu finden, bis hin zum großen Ja, das er zu seiner Kirche gesprochen hat.

Dieser so menschliche Weg, an dem wir auch heute sehen können, wie man beginnt, mit Gott in Kontakt zu treten, wie alle Widerstände unserer Natur ernstgenommen werden und dann auch in die rechte Bahn geleitet werden müssen, um zu dem großen Ja zum Herrn zu gelangen. So hat mich seine sehr persönliche, vor allem in seinen Predigten entwickelte Theologie eingenommen. Das ist wichtig, weil Augustinus anfangs ein rein kontemplatives Leben führen, andere philosophische Bücher schreiben wollte, aber der Herr hat das nicht gewollt, er hat ihn zum Priester und Bischof gemacht, und so hat sich sein ganzes übriges Leben, sein Werk im Grunde genommen im Dialog mit einem ganz einfachen Volk entwickelt. Er mußte einerseits immer persönlich die Bedeutung der Schrift finden und andererseits der Aufnahmefähigkeit dieser Leute, ihrem Lebensumfeld Rechnung tragen und zu einem realistischen und gleichzeitig sehr tiefen Christentum gelangen.

Sodann war für mich natürlich die Exegese von großer Bedeutung: Wir hatten zwei Exegeten, die etwas liberal, aber dennoch große, auch wirklich glaubwürdige Exegeten waren, die uns fasziniert haben. Ich kann wirklich sagen, die Heilige Schrift war die Seele unseres Theologiestudiums: Wir haben mit der Heiligen Schrift gelebt und sie lieben, mit ihr reden gelernt. Dazu kam die Patrologie, die Begegnung mit den Kirchenvätern. Auch unser Dogmatikprofessor war ein damals sehr berühmter Mann, der seine Dogmatik mit den Vätern und mit der Liturgie gespeist hatte. Ein ganz zentraler Punkt war für uns die liturgische Ausbildung: Zur damaligen Zeit gab es zwar noch keine Lehrstühle für Liturgie, aber unser Professor für Pastoral hat uns großartige Liturgiekurse gehalten, und da er damals auch Rektor des Seminars war, liefen so die gelebte und gefeierte Liturgie und die gelehrte und durchdachte Liturgie zusammen. Das waren, zusammen mit der Heiligen Schrift, die Brennpunkte unserer theologischen Ausbildung. Dafür bin ich dem Herrn immer dankbar, denn sie bilden wirklich das Zentrum eines priesterlichen Lebens.

Mein weiteres Interesse galt der Literatur: Es war Pflicht, Dostojewski zu lesen, der damals in Mode war; dann die großen Franzosen: Claudel, Mauriac, Bernanos, aber auch die deutsche Literatur; es gab auch eine deutsche Ausgabe des Manzoni: Zu der Zeit sprach ich noch nicht Italienisch. So haben wir in diesem Sinn auch ein wenig unseren menschlichen Horizont geformt. Sehr geliebt habe ich auch die Musik sowie die Schönheit der Natur unseres Landes. Mit diesen Vorlieben, mit diesen Realitäten bin ich auf einem nicht immer leichten Weg vorangegangen. Der Herr hat mir geholfen, zum Ja des Priestertums zu gelangen, ein Ja, das mich jeden Tag meines Lebens begleitet hat.

Additional Info

  • Untertitel:

    Claudio Fabbri: Diözese Rom, 2. Studienjahr (2. Jahr Philosophie)

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

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