Der Jahresbericht der im Februar 2020 gewählten neuen Generalleitung der Legionäre Christi will vor allem Rechenschaft ablegen über die Verpflichtungen, die das Generalkapitel und der derzeitige Generaldirektor, P. John Connor LC, im letzten Jahr eingegangen sind.
Der Bericht wendet sich vor allem an Betroffene von sexuellem Missbrauch und informiert über die Zusammenarbeit der Kongregation mit „Eshmá“, einer professionellen und unabhängigen Einrichtung, die sich auf die Betreuung von Betroffenen in der katholischen Kirche spezialisiert hat.
Der Bericht legt ferner die Schritte dar, die im Hinblick auf die Begegnung mit und Begleitung von Betroffenen und die Entwicklung hin zu sicheren pastoralen Umfeldern für Kinder, Jugendliche und Schutzbefohlene gemacht wurden.
Schließlich erläutert der Bericht die Gründe, warum die Legionäre Christi sich entschlossen haben, jeden Fall, in dem Priester der Kongregation sexuellen Missbrauch begangen haben, mit Namen oder mit einem numerischen Code zu veröffentlichen. In diesem Sinne folgt dieser Jahresbericht auch direkt auf den statistischen „Gesamtbericht über Fälle von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi von 1941-2019“, den die Legionäre Christi bereits im Dezember 2019 vorgelegt haben, und zeigt die nächsten Schritte auf, die unternommen werden sollen.
Mit dem Jahresbericht wollen die Legionäre Christi letztendlich ihren 2009 begonnenen Weg der Erneuerung fortsetzen.
Verpflichtungen und Standards
Die beiden zentralen Dokumente des Generalkapitels von 2020, „Schützen und Heilen“ (sp. „Proteger y Sanar“) und „Umkehr und Wiedergutmachung“, beinhalten die Verpflichtungen und Standards im Bereich der Begleitung von Betroffenen und der Prävention von Missbrauch, die der Generalrat eingegangen ist und an denen er sich im Jahresbericht messen lassen will.
„Eshmá“ – unabhängige Anlaufstelle für Betroffene
Im Bewusstsein, dass sexualisierte Gewalt und sexueller Missbrauch traumatischste Einschnitte im Leben eines Menschen bedeuten können, die Betroffene zutiefst und massiv verletzen und dass der oft lange und schwierige Heilungsprozess eine angemessene Begleitung erfordert, haben die Legionäre Christi im Jahr 2020 eine dauerhafte und internationale Zusammenarbeit mit einer professionellen und unabhängigen Einrichtung zur Opferbetreuung auf den Weg gebracht.
So beinhaltet der Jahresbericht ausführliche Informationen über die Einrichtung „Eshmá“, die von Personen gegründet wurde, die selbst Betroffene von sexuellem Missbrauch sind, und von Therapeuten, Sozialarbeitern und Juristen (Experten für restauratives Recht). Die Einrichtung hat bereits ihre Arbeit aufgenommen. Sie kümmert sich vor allem um Betroffene der Kongregation der Legionäre Christi in verschiedenen Ländern, verfügt über Hilfsprogramme, eine ständige Hotline, einen therapeutischen Bereich zur Heilung der Folgen des Missbrauchs, einen sicheren und unabhängigen Anzeigenkanal, soziale Beratung und rechtliche Betreuung im Anzeigeprozess sowie Strafverfahren, und restaurative Dialoge als Mittel zur Erlangung von Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.
Systematisches Programm zur Anerkennung des Leids
Auch die Frage der Anerkennung des Leids für Betroffene von sexuellem Missbrauch und mögliche finanzielle Leistungen werden im Jahresbericht näher besprochen. In dem Wunsch, das Leid, das Mitglieder der Kongregation verursacht haben, zu lindern und den Betroffenen zu helfen, einen Weg der Heilung beschreiten zu können, haben die Legionäre Christi auch im Jahr 2020 punktuell finanzielle und therapeutische Hilfe für verschiedene Betroffene geleistet. Zur Vorbereitung eines systematischen und unabhängigen Programms zur Wiedergutmachung und Unterstützung von Betroffenen wurde eine Studie über bewährte internationale Verfahren durchgeführt.
In der hiesigen Ordensprovinz West- und Mitteleuropa werden sich die Legionäre Christi in Deutschland dem kirchlichen Hilfesystem zur Anerkennung des Leids für Betroffene sexuellen Missbrauchs, wie es die Deutsche Bischofskonferenz und Deutsche Ordensobernkonferenz Anfang 2021 beschlossen haben, anschließen.
Veröffentlichung von Fällen aus der Vergangenheit
Ein wichtiger Bestandteil des Jahresberichts ist die Veröffentlichung von Fällen von sexuellem Missbrauch der Vergangenheit mit den Namen der Täter oder einem nummerischen Code. Die Kongregation hat jeden Fall näher überprüft, den sie im Dezember 2019 statistisch im Gesamtbericht 1941-2019 veröffentlicht hatte. Ausgehend von dieser Erstveröffentlichung und im Bemühen um das Wohl der betroffenen Personen haben die Oberen der Legionäre Christi nun die Entscheidung getroffen, jeden Fall von Priestern der Kongregation, die eine Person unter 18 Jahren missbraucht haben, mit Vor- und Nachnamen, nur Vorname oder Zahlencode zu veröffentlichen. Im Jahresbericht werden dafür die Gründe und auch die Modalitäten genau erklärt.
Weltweit veröffentlichen die Legionäre Christi in diesem Zusammenhang auch in jeder Ordensprovinz (Territorium) entsprechend die einzelnen Fälle aus der Vergangenheit; einen Überblick dazu finden Sie hier. Die hiesige Ordensprovinz wurde erst 2007 als Territorium Mitteleuropa mit Sitz in Düsseldorf gegründet, zu der außer Deutschland auch die Länder Polen, Ungarn, Österreich, Slowakei und Niederlande gehören. Seit 2011 gehören zur neuen gebildeten Ordensprovinz West- und Mitteleuropa auch Frankreich, Irland und die Schweiz.
► Bereits im Jahr 2013 informierten die Legionäre Christi in der Ordensprovinz von Nordamerika erstmals ausführlich über Missbrauchsfälle im Zusammenhang mit dem 2015 verstorbenen Priester Guillermo (William) Izquierdo Carreras. P. Guillermo hatte von 1962 bis 1982 in Dublin (Irland) und von 1982 bis 1994 in Cheshire (Connecticut, USA) als Novizenmeister gearbeitet. Die ihm nachweislich zur Last gelegten Missbrauchsfälle fallen in diese beiden Zeiträume. Nähere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite der Ordensprovinz von Nordamerika.
Kultur der Prävention und des Schutzes
Der Jahresbericht führt ferner aus, dass die Legionäre Christi im Jahr 2020 ihre Richtlinien entsprechend den internationalen Standards der externen Agentur „Praesidium“ erneut haben. Außerdem wurden weltweit die Stellen der territorialen Präventionsbeauftragten aufgestockt, die vor allem mit Laien (Frauen und Männern) besetzt sind. Auch die Anzahl der Präventionsschulungen und entsprechenden Sensibilisierungsmaßnahmen konnte erhöht werden, unter anderem unter Mitwirkung von Betroffenen. Darüber hinaus läuft in allen Ordensprovinzen ein Akkreditierungsverfahren nach allgemein anerkannten Kriterien, die von externen Institutionen erarbeitet wurden.
Für Deutschland haben die Legionäre Christi die Leitlinien und Rahmenordnung der Deutschen Ordensobernkonferenz ratifiziert. In Österreich gelten für uns die Vorgaben der Rahmenordnung der katholischen Kirche der österreichischen Bischofskonferenz. Nähere Informationen finden Sie dazu hier auf unserer Webseite.
Nächste Schritte
Die Legionäre Christi sind sich bewusst, dass noch ein weiter Weg vor ihnen liegt, heißt es schließlich im Jahresbericht. Die Kongregation hat sich deshalb verpflichtet, auch weiterhin jährlich einen Bericht über die erfolgten Schritte zu veröffentlichen, die Daten zu aktualisieren und über die eingegangenen Verpflichtungen Rechenschaft abzulegen.
Die Prioritäten für das Jahr 2021 sind: Verstärkung der professionellen und systematischen Anhörung und Betreuung von Betroffenen; Einrichtung eines unabhängigen Programms für die finanzielle Anerkennung des entstandenen Leids; Untersuchung möglicher Fälle von Vertuschung und grober Fahrlässigkeit; Abschluss der unabhängigen Akkreditierungsverfahren in allen Ordensprovinzen; Bekämpfung von Macht- und Gewissensmissbrauch.
Statistische Zusammenfassung
Der Jahresbericht 2020 enthält schließlich die statistische Aktualisierung aller bekannten Missbrauchsfälle in der Kongregation. Die Gesamtzahl der Priester der Legionäre Christi, die sexuellen Missbrauch begangen haben, beläuft sich demnach auf 27. Das sind zwei Prozent der insgesamt 1.380 Legionäre Christi, die im Laufe der Geschichte der Kongregation zum Priester geweiht wurden. Es werden im Jahresbericht auch die fünf Fälle von Legionären Christi erwähnt, die als Seminaristen zu Tätern wurden und später in der Kongregation zu Priestern geweiht wurden. Die Priester, die davon derzeit in der Kongregation verbleiben, üben keinerlei öffentlichen priesterlichen oder pastoralen Dienst aus, mit Ausnahme von einem, dessen Dienst eingeschränkt wurde (keine Pastoral mit Minderjährigen), solange die Überprüfung des Falles noch nicht abgeschlossen ist. Die Gesamtstatistik finden Sie auf der Webseite „www.0abuse.org“.
► Den vollständigen Jahresbericht in einer deutschen Übersetzung des spanischen Originals finden Sie hier zum Download als PDF auf unserer Webseite.
► Den vollständigen Jahresbericht in einer englischen Übersetzung des spanischen Originals finden Sie hier zum Download als PDF auf unserer Webseite.
Der Schmerz der Opfer
Gemeinsam mit Papst Franziskus wollen die Legionäre Christ mit diesem Jahresbericht sagen: „Wenn wir auf die Vergangenheit blicken, ist es nie genug, was wir tun, wenn wir um Verzeihung bitten und versuchen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Schauen wir in die Zukunft, so wird es nie zu wenig sein, was wir tun können, um eine Kultur ins Leben zu rufen, die in der Lage ist, dass sich solche Situationen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt überleben könnten. Der Schmerz der Opfer und ihrer Familien ist auch unser Schmerz; deshalb müssen wir dringend noch einmal unsere Anstrengung verstärken, um den Schutz von Minderjährigen und von Erwachsenen in Situationen der Anfälligkeit zu gewährleisten“ (Papst Franziskus, Schreiben an das Volk Gottes, 20. August 2018).
Der Jahresbericht ist ein Schritt mehr in diese Richtung. Von Herzen erinnern wir uns auch der Worte, die Papst Franziskus am Ende des Generalkapitels 2020 an die Legionäre Christi und Mitglieder des Regnum Christi gerichtet hat: „der Weg der Erneuerung [ist] nicht beendet..., denn ein Mentalitätswandel verlangt in den einzelnen Personen und in einer Institution viel Zeit zur Assimilation, also eine fortwährende Umkehr“ (Papst Franziskus, Ansprache des Heiligen Vaters, übermittelt an die Teilnehmer des Generalkapitels der Legionäre Christi und der Generalversammlungen der Gottgeweihten Frauen und Männer des Regnum Christi, 29. Februar 2020).