Freitag, 26. Juli 2013

Frau, Mann und Gott

Vom Ursprung und Sinn des Ehesakraments

Als Gott das Universum in seiner Ordnung und Struktur erdachte, entschloss er sich, seine Spur zu hinterlassen. Wer aufmerksam und aufrichtig die Schöpfung betrachtet, kann Gott darin immer wieder aufspüren. Die Wärme der Sonne, die Weite des Meeres, ein sternenklarer Nachthimmel, die Ordnung im Mikro- und im Makrokosmos, die Liebe zweier Menschen, die Unschuld eines Kindes.  Auch von seiner Dreifaltigkeit wollte der Herr seine Spur hinterlassen. Daher hat er die Menschen als Mann und Frau erschaffen. In der Ehe wird Gott als Dreifaltiger sichtbar. Wie, darüber wollen wir heute nachdenken.

Die Ehe ist ein Sakrament: Also eine zwar unsichtbare, aber doch wirksame Gnade in einem sichtbaren Zeichen. Ein „Ort“, wo Christus ganz besonders bei uns bleiben wollte. Die Ehe verfolgt den Sinn und folgt der Dynamik aller Sakramente: Sie verbindet Gott und Mensch und wirkt (nur) in dem Maß, wie die Ehepartner für die Gnade aufnahmefähig und -willig sind.

Gott ist einer und drei, drei Personen, ein Gott. Wie sollte er diese grundlegende Wahrheit ausdrücken? Er hat die Wesenszüge und Eigenschaften der innergöttlichen dreifaltigen Beziehung in die Beziehung von Mann und Frau hineingelegt. Es lohnt sich, das ein wenig zu betrachten.

- Der tiefste Wesenszug der drei Personen Gottes ist die Liebe. Sie öffnen sich völlig füreinander, geben sich völlig der anderen Person hin, behalten nichts für sich; in allen „Bereichen“ ihres Seins.

- Durch die absolute Offenheit gegenüber dem anderen erkennen und verstehen sich die Personen der Dreifaltigkeit gänzlich. Es gibt keine Geheimnisse, keine verborgenen Sphären, keine Vorbehalte. Alles ist Transparenz.

- Gott Vater liebt den Sohn so sehr und wird von seinem Sohn so sehr geliebt, dass diese gegenseitige Liebe fruchtbar wird, und (seit aller Ewigkeit) eine dritte Person hervorbringt: den Heiligen Geist.

- Zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist herrscht eine tiefe innere Einheit. Sie sind nicht getrennt oder gespalten. Und da ihre Liebe absolut ist, wird ihre Einheit für immer bestehen. Sie sind sich treu „von Ewigkeit zu Ewigkeit“.

- Diese dreifaltige Wahrheit und Liebe bildet den Urgrund allen Seins, denn von ihm geht die ganze Schöpfung nach seinem Abbild aus.

Wir wollen nun diese kurz skizzierten Aussagen über den dreieinen Gott auf die Ehe übertragen.

- Wie die göttlichen Personen, so sind auch Frau und Mann Personen, die sich ganz frei füreinander entscheiden. Es liegt kein Zwang auf ihrer gegenseitigen Bindung. Sie entscheiden als freie, eigenständige Menschen.

- In der Ehe soll der tiefste Wesenszug die Liebe sein; eine gegenseitige Hingabe, in der sich beide Partner völlig für einander öffnen lernen, nichts mehr für sich behalten, und das in allen Bereichen ihres Seins (Leben, Freizeit, Interessen, Geist, Körper, Sexualität…). Die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ist ein Spiegelbild Gottes, so dass Gott darin besser erkannt werden kann (vgl. Christopher West, „Theologie des Leibes“).

- Wie die Liebe zwischen Gott Vater und Sohn so innig und intensiv ist, dass daraus eine dritte Person hervorgeht, so gilt das ebenfalls für die eheliche Beziehung: Sie ist grundsätzlich darauf angelegt, fruchtbar zu werden. Die Offenheit für diese Fruchtbarkeit gehört wesentlich zur Ehe dazu. Ein neugeborenes Kind ist letztlich Zeichen der Schöpferkraft Gottes, die er den Menschen für die Ehe anvertraut hat.

- Die Liebe in Gott kennt keine Grenzen. So soll auch die authentische Liebe zwischen Mann und Frau bedingungs- und grenzenlos sein. Treue kennzeichnet sie. Daher die Unauflöslichkeit im katholischen Verständnis der Ehe. Das sind die Ideale, die Gott in die eheliche Beziehung hinein gelegt hat. Er hat sich selber hineingelegt. Und da er weiß, dass wir – allein schon durch unsere erbsündliche seelische Verfasstheit – diesem Ideal mit eigener Kraft nicht gerecht werden können, daher hat er uns eine Hilfe gegeben: die Kraft des Ehe-Sakramentes!

Wie wird der eheliche Bund geschlossen? Worin besteht der sakramentale Kern?

Der Spender des Ehesakraments sind die beiden Brautleute selber. Nicht der Priester oder Diakon spendet das Sakrament; Diese nehmen als offizielle, kirchliche Zeugen am Geschehen teil. Der Kern der Eheschließung liegt in der freien Entscheidung jedes Ehepartners, den anderen ein Leben lang anzunehmen, sich ihm hinzugeben und mit ihm eine Lebens- und Liebesgemeinschaft einzugehen. Dieser Willensakt muss, um gültig zu sein, frei und bewusst vollzogen werden.

Durch die gegenseitige Entscheidung für einander entsteht ein Bund. Allerdings einer, der weit über einen einfachen Vertrag zweier Parteien hinausgeht. Denn in diesem Bund spielt Gott eine wesentliche Rolle.

Lassen Sie mich das anhand eines Bildes beschreiben: Ist ein Mensch getauft, so besteht zwischen ihm und Gott eine tiefe innerliche – sakramental geschlossene – Verbindung, bildlich gesprochen eine Art Band, das beide miteinander eint. Wenn nun zwei Getaufte heiraten, dann nehmen sie – wieder bildhaft gesprochen – dieses ihr persönliches Band, das sie mit Gott eingeht, in die Hand und schlingen es um den Ehepartner herum. Und daher gehen sie dann nicht nur untereinander eine besondere Beziehung ein, sondern werden mit Gott in ihrer ehelichen Beziehung verbunden.

Das Bild mag seine Schwächen haben, aber es zeigt, dass die Ehe ein Bund zwischen dreien ist. In dieser Gegenwart Gottes liegt auch die sakramentale Wirkkraft verborgen. Eine Ehe ist also dann gültig geschlossen, wenn beide Partner sich freiwillig und bewusst für einander entscheiden, mit der Absicht, ein Leben lang zusammen zu bleiben und für Kinder offen zu sein und dies alles öffentlich kund tun.

Kann eine gültig geschlossene Ehe – die also alle notwendigen Bedingungen erfüllt – wieder aufgelöst werden?

Nein. Im katholischen Verständnis nicht. Warum? Letztendlich, weil wahre Liebe nicht zeitlich begrenzt sein kann. Was würde ein Ehepartner wohl fühlen, wenn das Gegenüber sagen würde: „Ich liebe dich – aber vorerst mal nur für ein paar Jahre. Und dann vielleicht nicht mehr“? - „Aber wenn es nach ein paar Jahren einfach nicht mehr miteinander klappt?“, steigt sofort als Frage in uns auf. Da begegnen wir einer schmerzhaften Realität, die nicht wenige Menschen heutzutage trifft!

Sie konfrontiert uns letztlich mit der Frage nach „wahrer Liebe“. Was ist das überhaupt? Kurz gefasst zeichnet „wahre Liebe“ vor allem eine Entscheidung aus, täglich erneuert, dem anderen treu zu sein und fest zu ihm zu stehen. Sie übersteigt die Welt der Gefühle, der Emotionen und muss auf dem Prüfstand des Alltages beweisen, dass sie reift und kraftvoll wird. Darin mag ein Problem unserer Zeit bestehen: Dass man in der Beziehung zu oft auf den Sand einer eher emotionalen Verbundenheit baut. Aber die Wellen der Existenz, die unvermeidlich kraftvoll heranfluten, werden schon bald gegen dieses Gebäude prallen. Und leider geht es dabei zu oft in die Brüche. Sicherlich liegt die Aufgabe der Kirche mit darin, den Menschen in der wahren Liebe – dieser kraftvollen, wachsenden, und immer wieder neuen Entscheidung für den anderen – zu stärken und zu begleiten.

Paulus vergleicht die Ehe mit der Beziehung, die Christus und seine Braut, die Kirche, eingegangen sind. Christus hat sich ein für allemal mit der Kirche verbunden und sich ihr ganz hingegeben – bis zur Hingabe seines Lebens. Er wird sie nie verlassen, auch wenn sie nicht immer treu sein sollte („einen neuen und ewigen Bund“). So soll auch der Bund zwischen Mann und Frau in der Ehe sein: treu, fest, andauernd („bis dass der Tod uns scheidet“). So ermutigte erst jüngst, zu Beginn des Herz-Jesu-Monats Juni, Papst Benedikt XVI. die Ehepaare nach der traditionellen Generalaudienz in Rom: „Bleibt der Liebe Gottes treu und gebt durch eure eheliche Liebe Zeugnis von ihr.“

Paul VI. schreibt in Humanae vitae (der Enzyklika „Über die rechte Ordnung von der Weitergabe menschlichen Lebens“) das II. Vatikanische Konzil weiter und erläutert die Würde der Ehe als personale Gemeinschaft, die sich in der gegenseitigen Hingabe von Mann und Frau vollzieht. An die Teilnehmer des Kongresses „Humanae vitae: Aktualität und Prophetie einer Enzyklika“ (Rom, 3. und 4. Oktober 2008) gewandt, greift Papst Benedikt XVI. diesen Gedanken wieder auf, wenn er schreibt: „Da die Eheleute das Geschenk der Liebe empfangen haben, sind sie dazu berufen, sich ihrerseits vorbehaltlos einander zu schenken. (…) Somit formt die Logik der Totalität der Hingabe die eheliche Liebe in ihrem Innern und wird dank der sakramentalen Ausgießung des Heiligen Geistes das Mittel, um im eigenen Leben eine wahre eheliche Liebe zu verwirklichen.“

In der Ehe verwirklicht sich der in die Schöpfung eingeschriebene Liebesplan Gottes, der der Quellgrund der Liebe ist (Nr. 8). In diesem Licht sieht der Papst die eheliche Liebe in dreifacher Weise: Als voll-menschliche Liebe, die den ganzen Menschen umfasst, „sinnenhaft und geistig zugleich”; als Liebe, die aufs Ganze geht und nicht unter Vorbehalten steht, denn „wer seinen Gatten wirklich liebt, liebt ihn um seiner selbst willen, nicht nur wegen dessen, was er von ihm empfängt”; als fruchtbare Liebe, „da sie nicht ganz in der ehelichen Vereinigung aufgeht, sondern darüber hinaus fortzudauern strebt und neues Leben wecken will” (Nr. 9). Der sexuelle Akt zwischen Mann und Frau ist Vollzug ihrer Liebe. Er ist leib-seelische Ganzhingabe, in den die Offenheit für die Zeugung eines Kindes eingeschrieben ist.

Was aber, wenn eine Ehe annulliert wird? „Annullierung“ bedeutet nicht „Auflösung“. Bei einem Annullierungsprozess stellt die kirchliche Autorität durch intensive Untersuchungen fest, ob eine oder mehrere für eine gültig geschlossene Ehe wesentliche Bedingungen (wie z.B. Freiwilligkeit, Bewusstsein der Bedeutung der Ehe, Entschluss zu lebenslanger Treue, Offenheit für Kinder) gegeben waren oder nicht. Wäre letzteres der Fall, so hätte die Ehe gar nie bestanden. Genau das wird geprüft. Kommt die kirchliche Autorität zu diesem Schluss – „Die Ehe ist gar nicht gültig geschlossen worden und hat daher nie bestanden“ – dann spricht sie das offiziell aus; die „vermeintlichen“ Ehepartner sind frei, eine Ehe einzugehen. Annullieren bedeutet also, mit moralischer Gewissheit festzustellen, dass eine Ehe nicht bestanden hat (auch wenn es äußerlich so aussah).

Dabei stellen sich – vor allem heute – zahlreiche Fragen, die auch Papst Benedikt angemahnt hat, und deren Beantwortung über die Gültigkeit einer Ehe (und damit auch für eine mögliche Annullierung) entscheiden: Wussten die Eheleute eigentlich gut genug, was eine sakramentale Ehe ist, um sich auch bewusst dafür zu entscheiden? Kann man wirklich von einer freien Entscheidung sprechen, wenn in manchem Fall eine große menschliche und psychische Unreife vorhanden ist („Ehefähigkeit“)? War die Offenheit für Kinder überhaupt gegeben?

Dies ist ein weiter und schwieriger Bereich, mit dem sich die Kirche unserer Zeit in zunehmendem Maß auseinandersetzt. Letztlich aber bleibt das Ideal bestehen: Für uns Christen besteht es darin, als Abbild Gottes zu leben; durch den Wiederschein der Liebe zu den Menschen in der Ehe. Und die Ehe, das ist der Bund, den Gott mit den Menschen schließt, um ihnen in der Treue, der wachsenden Liebe zueinander und dem Aufbau einer Familie beizustehen und sie liebend zu begleiten und zu stärken.

 


Dies ist das neunzehnte Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.

Additional Info

  • Untertitel:

    Vom Ursprung und Sinn des Ehesakraments

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

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