Freitag, 26. Juli 2013

Unendliche Nähe – Gott im Brot

Die Bedeutung des Sakraments der Eucharistie

„Der Herr bemächtigt sich des Brotes und des Weins, er hebt sie gleichsam aus den Angeln ihres gewöhnlichen Seins in eine neue Ordnung hinein; auch wenn sie rein physikalisch gleich bleiben, sind sie zutiefst Anderes geworden.“
(Josef Kardinal Ratzinger)

Wir saßen in einem Kreis. Sie sprachen über Themen, die ich nicht wirklich verstand, und die mich auch eigentlich nicht interessierten: Liturgie und so. Aber da saß ich nun in der Runde und hörte eben zu, etwas unbeteiligt. Als jedoch ein 19-jähriger Jugendlicher erklärte, dass „Gott da wirklich da ist“, musste ich protestieren. „Das ist doch gar nicht möglich. Das ist doch nur ein Symbol, ein Bild.“ „Nein“, beharrte er, „in der Hostie ist Gott wirklich gegenwärtig.“ Ich schüttelte mitleidig lächelnd den Kopf und wendete mich gedanklich wieder ab. „So ein Unsinn; Gott in einem Stück Brot…“

Doch jener Tag am Ende meines Musikstudiums inmitten einer Gruppe gläubiger Jugendlicher veränderte mein Leben. Gott in einem Stück Brot. Das ließ mich innerlich nicht mehr los: Das kann doch nicht sein; wie sollte das denn funktionieren.

Unmöglich. Oder…? Etwas später fiel mir ein Buch in die Hände. Ich blätterte darin herum und las: „Eucharistie: Wirkliche Gegenwart Jesu Christi in der Gestalt des Brotes (auch Realpräsenz genannt).“ Ich konnte es nicht glauben. Schon wieder diese Aussage: „in einem Stück Brot“. Ich begann, darüber nachzudenken; nach und nach wurde mir dadurch vieles, was mit der Kirche zu tun hat, klarer. Die Eucharistie – die Mitte des Glaubens.

Aber fangen wir von vorne an, mit einem Rückblick: Als der Mensch durch die Sünde in seinem Leben Gott verloren hatte, da gab der Herr sogleich seine Antwort: Ein Erlöser wird kommen. Und er ist gekommen. Gott selber ist herabgestiegen in unsere Welt und hat als Mensch gelebt. In Jesus Christus hat er uns besucht, geliebt und erlöst. Nach Tod, Auferstehung und Himmelfahrt hat er sich aber nicht einfach aus dem Staub gemacht, sondern blieb bei uns; vor allem in den Sakramenten seiner Kirche. Dort wirkt Christus jeden Tag auf allen fünf Kontinenten. Das wichtigste, das Zentrum aller Sakramente ist die Eucharistie. Was das genau ist, wollen wir nun besprechen. Die Eucharistie ist das Sakrament (sichtbares Zeichen einer unsichtbaren Wirklichkeit), in dem Jesus Christus wirklich zu uns kommt, gegenwärtig ist. Warum wohl hat Jesus die Eucharistie eingesetzt? Nun, ganz menschlich gesagt: Er wollte bei uns bleiben. Und zwar für immer. Er wollte sein „Zelt“ (lateinisch tabernaculum) unter uns aufschlagen. Wie sollte er das aber anstellen? Er fand eine Antwort, die wir in unseren kühnsten Träumen nicht zu träumen gewagt hätten. Er hat sich in ein Stück Brot „hineinbegeben“. Dort, in diesem Stück Brot, ist Jesus da. Wir können kommen und ihn in diesem Brot in unser Inneres aufnehmen. Unser Herz hatte ihn verstoßen – unser Herz sollte ihn wieder zurück haben. Seine Antwort auf unseren Fehler: Liebe und Hingabe.

Jesus hat das Sakrament seiner Gegenwart am Gründonnerstag – kurz vor seinem Tod – eingesetzt. Da versammelte er seine Apostel; er nahm Brot und Wein, sprach die Gebete über die Gaben: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“ und wandelte sie dadurch in seinen Leib und sein Blut. Diese gab er den Aposteln und beauftragte sie: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Die Apostel sollten in seiner Nachfolge Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln und den Menschen als Speise geben. Mit diesem Sendungsauftrag hat er dafür gesorgt, dass sich die Eucharistie, also seine Gegenwart in der ganzen Welt ausbreitet.

Der Anspruch, dass in der Kommunion, in dieser kleinen Hostie wirklich Gott da ist, klingt natürlich im ersten Moment verrückt. Jesus musste wissen, wie schwer das zu glauben ist. Deshalb erklärte er den Jüngern schon vorher ausführlich, was er tun würde und ließ keinen Zweifel daran, dass er es wirklich so meinte, wie er es sagte. „Mein Leib ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank“ (Joh 6,55). Kein Symbol, kein Bild, sondern Realität (vgl. Joh 6,22-71). Als daraufhin viele seiner Jünger von ihm weggingen, weil sie das nicht „ertragen“ konnten, was er da sagte, da machte er keinen Rückzieher, sondern fragte sogar seine engsten Freunde, die Apostel: „Wollt auch ihr gehen?“ Mit anderen Worten: Hier habt ihr mein Geschenk der Eucharistie. Glaubt ihr oder geht ihr? Ich nehme nichts von dem Gesagten zurück. Ihr habt schon richtig verstanden. So wie ich es gesagt habe, habe ich es auch gemeint. Das ist wirklich mein Leib, den ihr essen sollt, und mein Blut, das ihr trinken sollt. Durch diese Worte hat Christus das Sakrament der Eucharistie angekündigt und dann am Gründonnerstag eingesetzt. Er hat es seinen Aposteln anvertraut.

Nun fragen wir Menschen uns natürlich: Aber wie soll das gehen? Man sieht ja immer nur Brot und Wein. Wie muss ich das jetzt verstehen? Wie ist das zu erklären, dass Gott da gegenwärtig ist?

Kein Mensch kann aus eigener Kraft Brot und Wein wandeln; es ist der Geist Gottes selber, der diese Wandlung – durch den Priester – vollzieht. Der Geist Gottes wirkt die Verwandlung der Substanzen und macht sie zu Leib und Blut Christi.

Um das zu erklären, griffen die Theologen auf einige philosophische Begriffe zurück. Das Schlüsselwort für diese Wesensverwandlung lautet „Transsubstantiation“. Wir wollen das verdeutlichen: In der Philosophie erklärt man, dass alles, was in unserer Welt existiert, aus einem veränderbaren und einem unveränderbaren Teil besteht. Das Unveränderbare ist das Wesen der Sache, die „Substanz“. Das Veränderbare sind die Eigenschaften der gleichen Sache, auch „Akzidentien“ genannt. – Stellen Sie sich einen Apfel vor. Dieser kann klein, groß, grün, gelb, rot, unreif, überreif, knackig, weich usw. sein oder sich vom grünen zu roten, von kleinen zum großen entwickeln. Alle diese Eigenschaften sind veränderlich. Aber egal, welche Eigenschaften sich wie verändern, er bleibt immer ein „Apfel“. In der natürlichen Welt folgen alle Dinge diesem Prinzip: Die Akzidentien (Eigenschaften) sind veränderlich, die Substanz bleibt. Die Wandlung in der Eucharistiefeier folgt diesem Prinzip nicht.

In der Eucharistiefeier geschieht mit der Hostie genau das Gegenteil. Die veränderlichen Dinge (wie Geschmack, Form, Farbe, Größe) bleiben bei der Wandlung erhalten, aber die Substanz (das Wesen) ändert sich: Statt Brot und Wein ist es dann Christus. Die Substanz geht von einer in eine andere über. Hinüberführung von einer Substanz (Brot) in eine andere Substanz (Christus, der Leib Christi). Auf Latein nennt man diese (Wesens-)Hinüberführung „Trans-Substantiation“. Das ist nicht natürlich, sondern übernatürlich. Es ist ein Eingreifen Gottes durch das Sakrament. Was der Priester in seinen Händen hält, sieht aus wie Brot, schmeckt wie Brot, fühlt sich an wie Brot, ist aber Christus. Gott in einem Stück Brot… Also doch.

Das glauben wir Katholiken. Wahnsinn? Nein. Aber ganz sicher eine beständige intellektuelle Provokation, Herausforderung einer einzigartigen Liebe, der Liebe Gottes zu uns Menschen. Weil Gott uns liebt, ist er ein Mensch geworden und zu uns gekommen; und weil er uns liebt, ist er bei uns geblieben, hat er sein „Zelt“ in der Eucharistie unter uns aufgeschlagen. Gott ist also wieder zurück. Klein, bescheiden und unscheinbar, damit wir keine Angst vor ihm haben: In einem Stück Brot, der kleinen weißen Hostie; da ist Gott wieder für mich da; das ist Gott. „Geheimnis des Glaubens.“ Ein Konzil hat die Art der Gegenwart Gottes in der Hostie folgendermaßen festgehalten: Christus ist anwesend „mit Leib und Seele, Fleisch und Blut, Gottheit und Menschheit, wahrhaft, wesentlich und wirklich.“ Könnte es noch klarer gesagt werden?

Heute bin ich dem jungen Mann im Kreis der Jugendlichen dankbar, der mich zum ersten Mal in meinem Leben auf dieses große Geschenk gestoßen hat: Gott in der Gestalt des Brotes.

 


Dies ist das fünfzehnte Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.

Additional Info

  • Untertitel:

    Die Bedeutung des Sakraments der Eucharistie

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

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