Junge Menschen in Übergangsphasen zu unterstützen – das ist eine Berufung von Pater Thiemo Klein LC. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist in der KHG eine Anlaufstelle für Suchende, ein Ermutiger für Zweifelnde und manchmal auch ein Licht auf dem Weg.
Pater Thiemo, junge Erwachsene stehen vor großen Fragen: Was möchte ich beruflich erreichen – und mit wem möchte ich mein Leben verbringen? Auf welche Weise gehen Sie in der Seelsorge mit diesen Themen um?
P. Thiemo: Diese Fragen sind tatsächlich sehr bedeutsam. Zwischen 20 und 30 Jahren werden die Weichen für das Leben zwischen 30 und 60 Jahren gestellt – beruflich, persönlich, geistlich. Selbst wenn eine Person ein Fachgebiet studiert, das als „sicher“ angesehen wird, wie beispielsweise Medizin oder Rechtswissenschaften, stellt dies heutzutage keinen garantierten Karrierepfad dar. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, in zahlreiche Richtungen abzubiegen. Die Erschließung der digitalen Welt hat eine Fülle von Optionen hervorgebracht, was die Entscheidungsfindung nicht einfacher gestaltet. Das trifft ebenso auf zwischenmenschliche Beziehungen zu. Deshalb braucht es jemanden, der gut zuhören kann, ermutigt und die Anliegen dieser jungen Menschen respektvoll begleitet – ohne sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.
In welcher Form wird das konkret in der Tätigkeit an der KHG sichtbar?
P. Thiemo: Wir Seelsorger fungieren als Anlaufstelle für all jene Studenten, die auf der Suche sind – fernstehende Personen und Menschen, die aus der katholischen Tradition stammen und einen Raum suchen, in dem sie ihren Weg fortsetzen können. So sind wir auch ein Heimathafen für jene, die bereits ihren Weg mit Jesus gehen. Die katholische Hochschulgemeinde fungiert ähnlich wie ein Durchlauferhitzer, damit jeder das finden kann, was ihn auf seinem Glaubensweg weiterbringt.
Was begeistert Sie persönlich an dieser Tätigkeit?
P. Thiemo: Es ist unser Ziel, die Glaubensbildung junger Menschen zu fördern und sie auf ihrem Weg zu begleiten. In einer Phase, nach der sie später selbst Verantwortung übernehmen – für sich selbst, für andere und oft auch im kirchlichen oder gesellschaftlichen Kontext. Diese Menschen können dann den Glauben und christliche Werte weitergeben.
Was braucht es für eine gute seelsorgliche Begleitung in dieser Lebensphase?
P. Thiemo: Ein Seelsorger sollte ein guter Zuhörer sein, jemand der ermutigt und die Anliegen der jungen Menschen ernst nimmt. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass jeder das Original wird, das Gott in ihn hineingelegt hat – und nicht die Kopie eines anderen Menschen oder eines Ideals, das vielleicht gar nicht zum eigenen Weg passt.
Also die beste Version seiner selbst werden?
P. Thiemo: So würde ich das nicht formulieren. Es geht darum, die Version seiner selbst zu werden, die man anstreben will, entsprechend den eigenen Idealen und der persönlichen Glaubensüberzeugung. In der Welt gibt es Personaltrainer, die Menschen zur Höchstleistung motivieren wollen. Das ist nicht mein Weg. Es geht vielmehr um die freie Entscheidung, sein Leben in die Hand zu nehmen, den Glauben zu leben und die eigenen Werte zu verwirklichen. Die persönlichen Gespräche sollen auch dazu führen, dass die jungen Menschen jene Talente entdecken, die Gott in sie hineingelegt hat durch die Taufgnade. Die Entfaltung der Taufgnade hin zur Freiheit der Kinder Gottes ist uns als Regnum Christi in der näheren Vergangenheit immer wichtiger geworden. Diese Ermutigung zur Freiheit im Glauben, zur Hoffnung, ist ein spezifischer Beitrag, den ich von unserem Charisma aus leisten darf. Die jungen Menschen sehen sich einer turbulenten Welt gegenüber und Ermutigung tut vielen gut.
Wie viel Zeit nehmen persönliche Gespräche in Ihrem KHG-Alltag ein?
P. Thiemo: Ungefähr die Hälfte. Es gibt daneben natürlich auch strukturelle Tätigkeiten – etwa die Gestaltung des Umfelds oder strategische Überlegungen. Der Leiter der KHG bezieht mich auch in Leitungsfragen mit ein. Ich bin außerdem in der Heimseelsorge tätig und darf den jungen Menschen auch priesterlich dienen – durch Liturgie, Predigten und stetigen persönlichen Kontakt.
Was meinen Sie mit „strategischen Überlegungen“?
P. Thiemo: Wir möchten beispielsweise sicherstellen, dass wir die Studienanfänger gezielt ansprechen und ihnen ein herzliches Willkommen bereiten. Eine positive Entwicklung der Gemeinschaft liegt uns am Herzen. Für junge Menschen hat die Gemeinschaft eine große Bedeutung. Eine Umfrage hat ergeben, dass die drei zentralen Anliegen für sie Geld, Freundschaften und das Studium sind. Ein Studium muss man sich auch leisten können. Deshalb gibt es beispielsweise Sozialstipendien. Wir bemühen uns ebenfalls, unsere Angebote so zu gestalten, dass sie für alle finanziell zugänglich sind.
Wie finden junge Menschen heute Zugang zum Glauben?
P. Thiemo: Entweder indem sie sich auf das besinnen, was ihnen bereits mit auf den Weg gegeben wurde und das sie in der Fremde erneut entdecken – oder durch eine unmittelbare Begegnung mit Gott, durch die sie erkennen: Ich möchte Christ sein. Und ich möchte katholisch sein, weil das das Original und die vollständige Form des Glaubens darstellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sämtlichen Erwartungen gerecht werden, die es möglicherweise auch in kirchlichen Kreisen gibt. Aus diesem Grund ist es entscheidend, die umfassende Tiefe des katholischen Glaubens zu verstehen, damit Menschen die Gelegenheit haben, ihren Glauben individuell zu entdecken.
Erleben Sie berührende Momente in Ihrer Arbeit?
P. Thiemo: Ja, weil viele junge Menschen in der KHG zum Glauben zurückfinden, um dann dort auch Wurzeln bei Christus zu finden und dann noch ein Leben aufzubauen, das diesem Glauben entspricht, vielleicht dann noch einen katholischen Ehepartner kennenlernen. Das ist alles sehr berührend.
Sehen Sie sich also auch in der Zukunft in der KHG?
P. Thiemo: Ich bete darum, dass Gott mir weiterhin ein fruchtbares Wirken dort schenkt. Es ist eine Arbeit an der Zukunft der Kirche – an der Weltkirche, denn wir haben auch internationale Studenten, ebenso an der Ortskirche, denn wir stehen im Dienst der Ortskirche, selbstlos und auf sie hin orientiert. Papst Franziskus hat einmal gesagt: ´Gott zählt lediglich bis eins.´ Es ist also auch eine Arbeit für den Einzelnen. Manchmal darf ich jungen Menschen auch helfen, wenn sie geistliche Verletzungen erfahren haben oder sie einer Engführung unterlegen sind – um neue Horizonte zu öffnen und weiterzugehen.
Auch im Zentrum Johannes Paul II. haben Sie überwiegend mit jungen Menschen zu tun.
P. Thiemo: Manche finden von der KHG ihren Weg ins Zentrum Johannes Paul II. aber nur, wenn das Charisma des Regnum Christi, das dort spürbar ist, zu ihnen passt. Sie entdecken im Zentrum etwas, das sie anspricht. Gelegentlich geschieht dieser Brückenschlag. Es ist erfreulich, dort einen jungen Menschen wiederzusehen, den man von der KHG kennt. Dennoch hat jeder die völlige Freiheit, das auszuwählen, was ihn weiterhin inspiriert.
Welche Bedeutung hat das Zentrum Johannes Paul II. für Sie?
P. Thiemo: Für mich ist es eine spirituelle Oase in der Wüste des städtischen Lebens – eine Quelle, die den Durstigen das Wasser des Lebens bringen kann. Ich bin vom Start des Zentrums an dabei, besonders im Bereich der Familienarbeit und bei Kinderpredigten.
Was wünschen Sie den jungen Menschen?
P. Thiemo: Dass sie Christus finden. Und ihren Weg zu ihm. Joseph Ratzinger, später Papst Benedikt XVI., hat einmal gesagt: ´Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt.´ Ich hoffe, dass ich ein Licht sein darf, das anderen hilft, ihren persönlichen Weg zu entdecken.
(Das Interview führte Franz Schöffmann.)
Zur Person
• 2008 Priesterweihe von Thiemo Klein LC in Rom
• bis 2011 Seelsorger in der Slowakei
• seit 2011 in Wien, währenddessen Studien in Heiligenkreuz und am International Theological Institute, Doktorarbeit über die pastoralen Aspekte der Theologie Joseph Ratzingers
• seit 2014 Seelsorger in der Katholischen Hochschulgemeinde
• Gründungsmitglied des Zentrums Johannes Paul II.
• Schwerpunkte: persönliche Begleitung, Liturgie, Familienseelsorge
Seine Berufungsgeschichte finden Sie online hier!