Diese Seite drucken
Donnerstag, 18. Mai 2017

Christen sind Menschen, die sich was trauen

Luxemburgerin aus dem Regnum Christi veröffentlicht ein Buch mit Glaubenszeugnissen 

Wie kann Evangelisierung heute gelingen? Überzeugte Menschen zählen heute mehr als Argumente, weil es nicht mehr um religiöse Macht geht, sondern um persönliche Erfüllung. Aber gleichzeitig sind wir Menschen der Postmoderne zutiefst skeptisch. Wir unterziehen alles einer Prüfung, möchten sicher gehen. Und die grösste Sicherheit ist ein glücklicher Mensch. Oder wie Irenäus von Lyon es sagen würde: „Die Herrlichkeit Gottes ist der lebende Mensch!“ Das neue Buch von Mariette Levaye-Gries, die der Apostolatsbewegung Regnum Christi angehört, ist eine Sammlung von Zeugnissen lebendiger Menschen. Zusammen mit dem Journalisten Eric Denimal hat die Luxemburgerin Geschichten gesammelt, wie nur Gott sie schreiben kann. Keine geradlinigen oder perfekten Geschichten, sondern solche, die ebenso viel Abwechslung bieten, wie das Leben selbst: Familien, junge Menschen, Eltern, Weltreisende, Priester, Ordensleute, Bischöfe, Komiker, Sänger, Diakone, Missionare auf andern Kontinenten, Künstler, Berater, Religionslehrer, sozial Engagierte, Journalisten, Fallschirmspringer, Luxemburger und Nicht-Luxemburger, traditionell in die Kirche Hineingewachsene und Menschen, die als Erwachsene eine Entscheidung getroffen haben.

40 Zeugnisse – wo anfangen?

Wie sollte man dieses Buch lesen? Zum Beispiel so: die 40 Menschen, die von ihrem Glauben erzählen, als Menschen betrachten, die sich genauso wie wir durch das Leben kämpfen, auf der oft verzweifelten Suche nach Gott. Man sollte aber auch die Freude aus den Zeilen herauslesen und heraussaugen, wenn sie von ihrem Glück erzählen. Dieses Buch stellt eine grundlegende Herausforderung: Leben, Gott und Glück als «eins» zu denken, zu erleben, zu entdecken. Es ist schön, dass Priester und sogar unser Luxemburger Bischof Zeugnis geben. Und es ist gut, manchmal aber auch tendenziell zu einseitig, dass viel französische Spiritualität durchscheint, aber entscheidend ist: sie sind alle Menschen, und ihr Leben hätte ganz anders verlaufen können, wenn da nicht… Ja, wenn da nicht: was? Welcher Moment war entscheidend? Wo haben diese Menschen Gott entdeckt? Oder wie sie es selber sagen würden: wo hat Gott sie gefunden? Wenn man es aus dieser Sichtweise betrachtet, können die 259 Seiten zu einem Abenteuer werden.  

Lebendige Seiten durchblättern

Es sind keine Besserwisser, sondern ehrliche Sucher, auch wenn der eine oder andere zweifelnde Thomas oder aufmüpfige Ijob auch Platz hätte finden können. Es sind 40 kurze Berichte von jeweils rund 6 Seiten, die sich dadurch auszeichnen, dass sie ihre Lebensgeschichten unter Gottes Augen interpretieren. Und das kann nicht nur befremden, sondern sehr erfrischend sein. Um es reißerisch zu sagen: für jeden ist etwas dabei! Mich hat z.B. das Zeugnis von P. Roger Villegas besonders angesprochen, da er im von Guerillas umkämpften kolumbianischen Medellín aufgewachsen ist, wo ich vor ein paar Wochen war. Oder das von Olive Le Masne , die sich u.a. bei Caritas Luxemburg eingesetzt hat. Da ist aber auch Laurent de Chérisey, Unternehmer und Christ. Oder einfach jene Menschen, die ich persönlich gut kenne und zu meinen Freunden zähle.

Missionieren? Heute? In Europa?

Das Buch "40 Missionaires pour une nouvelle génération" ist im Verlag Edition Première Partie erschienen und kostet 17,00 EUR. Das Buch "40 Missionaires pour une nouvelle génération" ist im Verlag Edition Première Partie erschienen und kostet 17,00 EUR. Das Buch trägt den Titel „40 Missionare“ (40 missionaires). Das ist gewagt. Innerhalb der kirchlichen Kreise hat ein „Missionar“ etwas unentwegt Heldenhaftes an sich, außerhalb ist der Begriff verpönt wegen des Stallgeruchs von Proselytismus. Umso wichtiger ist es, dass der ambivalente Begriff neu gefüllt wird! Missionieren bedeutet nicht, jemand anders etwas aufzuzwingen, sondern erzählen, mitteilen, nicht für sich behalten – und dem anderen die Freiheit geben darauf zu reagieren, wie er oder sie will. Umso wichtiger sind Zeugen, die Freude ausstrahlen. Auch in diesem Buch wird um eine Definition der Begriffe „Mission“ und „Missionar“ gerungen. Père René-Luc, der bekannte junge französische Fernseh-Priester, zitiert im Vorwort Paul Claudel: „Sprich nur von Christus, wenn Du nach ihm gefragt wirst. Aber lebe so, dass man Dich nach ihm fragt.“ (Ne parle du Christ que si on te le demande, mais vis de telle manière qu’on te le demande.) Doch Père René-Luc geht das nicht weit genug. Er will ein proaktiver Zeuge sein. Bischof Jean-Claude umschreibt es so: „Wenn ich das Glück oder den Sinn des Lebens gefunden habe, muss ich das mit anderen teilen.“ (Quand j’ai trouvé le bonheur, quand j’ai trouvé le sens de l’essentiel, je dois le partager.) Jene, die von Gott gefunden wurden, wünschen dies automatisch auch den andern. Den Moment der Offenheit des anderen zu treffen, ist Kunst und Gnade zugleich. Muss ein Christ Zeugnis geben? Ich wage es nicht, darauf zu antworten. Ich persönlich halte es mit Paul Claudel, doch jeder möge in Freiheit seinen eigenen Weg finden und den der anderen unterstützen.

Was für die luxemburgischen Leser wichtig ist, kann auch für die deutschen oder österreichischen Leser wichtig sein: es scheint viel Freude im Buch durch, viel luxemburgische Freude! Luxemburg, genau wie Deutschland oder Österreich, braucht eine Erneuerung der Glaubenswahrnehmung: nicht zuerst Kirche, sondern zuerst Gott; nicht Gebot, sondern Freude; nicht Gehorsam, sondern Freiheit. In einer Gesellschaft, die Emotionales schnell verdächtig findet, sind luxemburgische Zeugnisse umso wertvoller. Es sind Menschen, denen wir in der Fußgängerzone oder im Supermarkt begegnen können. Eben doch: Menschen wie wir. Denen Gott so wichtig geworden ist, dass sie davon erzählen.

 

 

Diese Buchbesprechung von Dr. theol. Paul Galles, Projektmanager bei Young Caritas Luxemburg ist zuerst in der Zeitung „Luxemburger Wort“ vom 29 April 2017 erschienen. Adaptiert für diese Website von Miriam Moißl am 17. Mai 2017 mit Dank an die Autorin Mariette Levaye-Gries für die Erlaubnis zur Veröffentlichung. 

Additional Info

  • Untertitel:

    Luxemburgerin aus dem Regnum Christi veröffentlicht ein Buch mit Glaubenszeugnissen 

  • Kategorie News : Aktuelles aus anderen Bereichen
  • Datum: Ja
  • Druck / PDF: Ja
  • Region: Deutschland, Österreich, Luxemburg

Verwandte Beiträge

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.