Montag, 28. Oktober 2019

„Die Wahrheit wird euch befreien“

Standpunkt des Regnum Christi und der Legionäre Christi in Bezug auf den Gründer Pater Marcial Maciel und diesbezüglich Benedikt XVI. – von Karl-Olaf Bergmann

Der Satz aus dem Johannesevangelium, „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32), steht vielleicht wie kein anderer für den „Weg einer authentischen und tiefgehenden Erneuerung“ (Papst Franziskus, Brief an den Päpstlichen Delegaten für die Legionäre Christi, Kardinal Velasio De Paolis, vom 19. Juni 2013), den das Regnum Christi und die Legionäre Christi 2009 unter Papst Benedikt XVI. begannen und unter Papst Franziskus als dessen Nachfolger fortsetzen und voranbringen konnten.

Der Wahrheit ins Auge sehen

Die Person des Gründers Pater Marcial Maciel (1920 - 2008) steht dabei bis heute im Mittelpunkt einer Geschichte, die über viele Menschen tiefes Leid, Schmerzen und Demütigungen gebracht hat. „Es schmerzt uns, dass viele Opfer und Menschen, die in Mitleidenschaft gezogen worden sind, vergeblich auf eine Bitte um Vergebung und Versöhnung von Pater Maciel gewartet haben“, schrieben die Teilnehmer des Außerordentlichen Generalkapitels der Legionäre Christi in einer eigenen Erklärung zum Gründer im Februar 2014 in Rom.

Die eigene Geschichte ist immer Teil des eigenen Lebens, das gilt für Menschen wie für Organisationen. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Der Wahrheit muss ins Auge gesehen werden. Unter Umständen muss die eigene Geschichte gründlich aufgearbeitet und erforscht werden. Ein ehrlicher Umgang mit der Geschichte ist Voraussetzung für Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit, sichert Gegenwart und bereitet den Weg in die Zukunft.

P. Maciel und Benedikt XVI.

Als Präfekt der Glaubenskongregation war der damalige Kardinal Joseph Ratzinger maßgeblich für die 2001 erfolgte Neuordnung der kirchlichen Strafverfolgung von Priestern im Falle des Missbrauchs von Minderjährigen verantwortlich. Auf dieser Grundlage konnte die Glaubenskongregation kurz darauf die Verjährungsfrist hinsichtlich der Straftaten von Marcial Maciel aufheben und ein Verfahren gegen ihn eröffnen. Dieses endetet nach der Papstwahl von Benedikt XVI. mit der Verurteilung von Maciel im Mai 2006.

Im Juli 2009 leitete Benedikt XVI. für die Legionäre Christi weltweit eine „Apostolische Visitation“ ein, um der Wahrheit über P. Maciel auf den Grund zu kommen, um das Ausmaß des Schadens ausmachen zu können, den sein „sehr schwerwiegendes und objektiv unmoralisches Verhalten“ verursacht hatte, und um festzustellen, welche Maßnahmen der Reinigung und Erneuerung für die Institution erforderlich sein würden. Der Abschluss der „Apostolischen Visitation“ (1. Mai 2010) und die Einsetzung eines Päpstlichen Delegaten am 9. Juli 2010 für die ganze Gemeinschaft stellten somit Meilensteine in der Geschichte der Legionäre Christi und des Regnum Christi dar. Sie wurden zur Grundlage des Erneuerungsprozesses, der mit dem Abschluss des Außerordentlichen Generalkapitels der Legionäre Christi im Februar 2014, der damit verbundenen Wahl einer neuen Ordensleitung und Verabschiedung neuer Ordensregeln, einen vorläufigen Höhepunkt fand.

Die eigene Geschichte lässt sich nicht abschütteln, im Gegenteil: Sie bleibt immer Teil einer Biographie und macht sich im Bewusstsein fest. Aus der Geschichte gilt es deshalb zu lernen, das erfordert Aufrichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Das betrifft konkret auch den Umgang mit der Person des Gründers der Legionäre Christi und des Regnum Christi, von den Benedikt XVI. im Interview mit Peter Seewald (Herder-Verlag, 2010) sagte: „Für mich bleibt Marcial Maciel eine mysteriöse Gestalt. Da ist einerseits ein Leben, das, wie wir nun wissen, jenseits des Moralischen liegt, ein abenteuerliches, vertanes, verdrehtes Leben. Andererseits sehen wir die Dynamik und die Kraft, mit der er die Gemeinschaft der Legionäre aufgebaut hat.“

Und über die Gemeinschaft selbst: „Es gibt hier viele junge Menschen, die mit Begeisterung dem Glauben dienen wollen. Diese Begeisterung darf man nicht zerstören. Viele sind von einer falschen Gestalt letztendlich doch zum Richtigen gerufen worden. Das ist das Merkwürdige, der Widerspruch, dass sozusagen ein falscher Prophet doch eine positive Wirkung haben konnte. Diesen vielen jungen Menschen muss neu Mut gegeben werden. Es braucht eine neue Struktur, damit sie nicht ins Leere fallen, sondern, richtig geleitet, weiter der Kirche und den Menschen einen Dienst tun können.“

Beständige Konfrontation mit der Geschichte – Erneuerung

In all diesen Jahren war die Gestalt von Pater Maciel immer wieder Gegenstand von Zeitungsartikeln, sogar Spielfilmen und Dokumentationen. Auch das sind Formen der Konfrontation mit dieser Geschichte, bis heute und wahrscheinlich auch in absehbarer Zukunft.

„Das ist es, was wir erflehen: eure vollständige Erneuerung“, schrieb der Apostel Paulus im zweiten Brief an die Korinther (13,9). Erneuerung gehört zu den christlichen Daueraufgaben, sie hört nie auf, stellt sich stets neu, bis sie Vollendung findet. Vollendung findet sie wiederum nur in Gott, der uns rettet, aber „nicht weil wir Werke vollbracht hätten, die uns gerecht machen können, sondern aufgrund seines Erbarmens – durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im Heiligen Geist“ (Brief des Apostels Paulus an Titus, 3,5).

Markant und unverändert gültig bleibt in diesem Zusammenhang für die Legionäre Christi und das Regnum Christi die sechsseitige Erklärung der 61 Kapitalväter zum Abschluss des Außerordentlichen Generalkapitels der Legionäre Christi vom 20. Januar 2014 zur Geschichte, zum Gründer und zum beschrittenen Weg der Erneuerung der Ordensgemeinschaft.

 

Karl-Olaf Bergmann

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Deutsche Bischofskonferenz zum Film von Christoph Röhl „Verteidiger des Glaubens“

Zum Film des Regisseurs Christoph Röhl, „Verteidiger des Glaubens“ über Kardinal Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI., erklärt der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am 31. Oktober 2019:

„Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßt jeglichen konstruktiven Beitrag zur Aufdeckung von sexualisierter Gewalt, ihrer Ursachen und des Umfeldes, durch den Menschen so lange leiden mussten. Gerade auch der Kirche fernstehende Journalisten haben hier ganz wichtige Beiträge geleistet. Leider können wir im Film von Christoph Röhl, ‚Verteidiger des Glaubens‘, mit Bezug auf die Person Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. diesen konstruktiven Beitrag nicht sehen.

Der Film zeichnet insgesamt ein stark verzerrtes Bild von Kardinal Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Tenor ist: Es ging ihm immer nur um die Reinheit der Kirche und des Priestertums, nie um die Opfer. Das ist eine eigenwillige und fehlerhafte Interpretation.

Die Theologie Joseph Ratzingers ist nicht charakterisiert durch einseitige Realitäts-Fremdheit und die Konzentration auf ein weltfremd Schönes. Kenner seiner Theologie sehen hier eine Verkürzung, die dem anerkannten Theologen nicht gerecht wird. In der Theologie eine der Ursachen für Missbrauch bzw. Vertuschung sehen zu wollen, geht an der Sache vorbei.

Über Jahrzehnte war Kardinal Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. eine treibende Kraft gegen Missbrauch:

- bei der kirchlichen Definition der ‚besonders schwerwiegenden Verbrechen‘ und damit der kirchenrechtlichen Definition des Verbrechens Missbrauch;

- bei der Schaffung einer speziellen Strafkammer in der Kongregation für die Glaubenslehre und damit beim Aufbau der Strukturen;

- bei der strafweisen Entfernung von mehr als 380 Priestern, die Täter waren, aus dem Klerikerstand.

Diese Aspekte werden im Film nicht angemessen gewürdigt.

Vor allem war es Benedikt XVI., der sich als erster Papst überhaupt auf mehreren Reisen mit Opfern sexuellen Missbrauchs traf, insbesondere im September 2011 in Erfurt. Dieser Umstand wird verschwiegen, was den Film unseriös macht. Es ist bedauerlich, dass die Chance zu einem historisch-kritischen Porträt über Papst Benedikt XVI., das ihm differenziert hätte gerecht werden können, verpasst worden ist.“

Additional Info

  • Untertitel:

    Standpunkt des Regnum Christi und der Legionäre Christi in Bezug auf den Gründer Pater Marcial Maciel und diesbezüglich Benedikt XVI. – von Karl-Olaf Bergmann

  • Kategorie News : Aktuelles aus anderen Bereichen
  • Datum: Ja
  • Druck / PDF: Ja
  • Region: Deutschland, International

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