Samstag, 5. Oktober 2013

Der Gebrauch der Freiheit

Kurzexerzitien: Meditation 3 von 6

Gebet zur Vorbereitung: Ich bin wieder hier in deiner Gegenwart, Herr, um das Gespräch mit dir fortzusetzen, um mein Herz weiter deinem Licht und deiner Führung zu öffnen. Ich möchte mein Leben der Frucht öffnen, die du mir hier geben willst, damit ich das, was du willst, in diesem Gebet empfange, und nicht das, was ich für mich selbst gesucht habe.

Ich erneuere somit meinen Glauben in deiner Gegenwart. Ich weiß, dass du hier in der Eucharistie vor mir bist, mit deinem Leib und deinem Blut, mit deiner Seele und deiner Gottheit, als wahrer Gott und wahrer Mensch. Ich glaube, dass du zu mir durch die Worte der Heiligen Schrift sprichst. Ich glaube, dass du zu mir in der Tiefe meines Herzens durch die Gegenwart und das Licht des Heiligen Geistes sprichst.

Das gibt mir Zuversicht und Vertrauen, denn ich weiß, dass ich hier bin, um das, was du willst, und nicht das, was ich will, zu tun. Und ich weiß, dass die Frucht dieser Meditation nicht davon abhängt, wie heilig ich in meinen Augen schon bin, sondern von der Gnade, die du mir durch die Mittel, die du benutzen wirst, geben willst.

Ich komme deshalb voll Vertrauen und Hoffnung zu dir und wünsche mir ganz besonders, dass du meine Liebe erneuerst, damit ich dich zum Mittelpunkt meines Lebens machen kann. Ich will das große Geschenk, das du mir gegeben hast, nutzen, nämlich die Fähigkeit zu lieben. Ich will sie gut nutzen. Ich will sie dazu nutzen, nur jene Dinge zu suchen und zu lieben, die gut sind und nur jene Dinge, die hilfreich sind für mich und meinen Nächsten. Ich will meine Liebe reinigen, damit ich nicht auf weltliche Weise liebe, sondern auf christliche Weise.

In deiner Gegenwart werde ich mir bewusst, dass ich ein kraftloses Geschöpf bin, dass all mein Wollen, Gutes zu tun, nichts wert wäre, wenn es nicht für dich getan würde. Darum danke ich dir für deine Gnade. Ich danke dir für diese Gelegenheit. Ich danke dir für deine Geduld und dafür, dass du mich immer wieder besuchst.

Auch in dieser Meditation will ich die Hand Mariens festhalten und mich von ihr führen lassen. Ich übergebe ihr mein Mühen um das rechte Beten, damit sie es verbessert und dir darbringt als etwas, das deiner würdig ist. Darum, Maria, vertraue ich dir besonders die Früchte dieser Meditation an.

1. Eine Betrachtung

In der letzten Meditation haben wir das große Geschenk des Lebens betrachtet. Wir haben auch betrachtet, warum wir uns so geteilt vorkommen. Wir haben gesehen, wie groß das Geschenk ist, das Gott uns in unserer Freiheit und in unserer Fähigkeit, zu lieben, gegeben hat, und dieses Geschenk unterscheidet uns von der ganzen übrigen Schöpfung. Und jetzt wollen wir ein aufrichtiges Gespräch mit Christus führen über den unseren Gebrauch des großartigen Geschenks der Freiheit, die er uns gegeben hat.

Wir werden dazu ein Gleichnis betrachten, das Jesus selbst gebraucht hat, ein Gleichnis, das zu uns besonders von Gottes Barmherzigkeit spricht, welches aber auch von Gottes Gaben im allgemeinen spricht. Wir kennen es sehr gut, es steht im 15. Kapitel des Lukasevangeliums.

Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Hier zeichnet der Herr ein wunderbares Bild. Man kann ihm leicht folgen und es sehr schnell verstehen, darum wollen wir etwas genauer auf ein paar Einzelheiten eingehen. Wir werden dieses Gleichnis so benutzen, dass der Herr uns darin etwas über uns selbst sagen kann. Er erzählte es, um zu zeigen, dass Gott barmherzig ist, er erzählt es aber auch, um uns zu zeigen, wie wir selbst sind.

2. Der jüngere Sohn

Dieser Mann hatte zwei Söhne. Das traurig ist nur, dass beide ihren Vater im Stich ließen. Sicherlich auf verschiedene Art, aber beide verursachten ihrem Vater Kummer. Vom jüngeren Sohn haben wir schon oft als vom verlorenen Sohn gehört. Schauen wir auf die Details und geben wir Gott die Möglichkeit, zu uns zu unserer Seele zu sprechen. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf.

Zwei Dinge sind hier erstaunlich. Das eine ist die unverfrorene Bitte des jungen Mannes an den Vater, und das zweite ist die Tatsache, dass der Vater seine Bitte erfüllt. Warum sage ich, dass der Sohn die Frechheit hatte, seinen Vater darum zu bitten? Schauen wir auf das, was er sagt. Der Vater war wohlhabend, der Vater besaß einen Hof, der Vater hatte Diener, alles lief also für den Vater sehr gut. Und der Sohn sagt nun zu ihm: gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Beachten wir hier, dass der Sohn eigentlich zu seinem Vater sagt: Vater, du hast Geld, du hast einen schönen, großen Hof mit Vermögen, du hast Geld auf der Bank, viel Geld, und wenn du stirbst, dann weiß ich, dass du die Hälfte mir gibst, und die andere Hälfte meinem Bruder. Er sagt aber: Weißt du was, Vater, ich kann wirklich nicht so lang warten. Ich will nicht noch viele Jahre warten müssen, bis du stirbst. Warum teilen wir nicht einfach das Vermögen jetzt gleich? Er sagt fast: Vater, tun wir so, als wärst du schon tot, teilen wir doch gleich das Vermögen. Gib mir den Anteil am Vermögen, den ich bekommen würde, wenn du sterben würdest. Unter normalen Umständen ist das nicht gerade die Voraussetzung, um ein Vaterherz glücklich zu machen. Der Sohn sagt praktisch zu ihm: Vater, du hast lang genug gelebt. Du bist mir im Weg.

Und wissen Sie, was der Vater, statt ihn hinauszujagen, damit er seine Arbeit macht und zur Vernunft kommt, tut? Der Vater teilt das Vermögen auf. Unglaublich dass der Vater dem Sohn gibt, um was er bittetWas macht der Sohn nun damit? Ein paar Tage später packt der Sohn alles zusammen und zieht in ein fernes Land, wo er das Geld durch sein Luderleben verschleudert. Also wollte der Sohn sein Erbe, das Geld seines Vaters, nicht, um seine Arbeit fortzusetzen, nicht, um Verantwortung zu übernehmen und das Geschäft seines Vaters auszubauen. Er nimmt einfach alles für sich selbst, geht in ein fernes Land, wo sein Vater ihm nicht über die Schulter schauen kann, und in diesem fernen Land verschleudert er sein Geld. Jesus beschreibt hier, was Sünde ist, wir nehmen Gottes Gaben und nutzen sie für uns selbst, so wie wir wollen; wir wollen nicht, dass er uns über die Schulter schaut. Als er alles ausgegeben hatte, kam eine große Hungersnot über das Land. Wir haben also den jungen Mann vor uns, der nur an sich selbst denkt, total ichbezogen, der im Grunde genommen dem Vater das Geld aus der Tasche nahm, wegging und als er alles ausgegeben hatte kam eine große Hungersnot über das Land.

Dieser junge Mann ohne Geld begann nun, große Not zu leiden. Er hatte viele Freunde, als er Geld hatte, als er noch Runden ausgeben konnte, und plötzlich steht er ohne Freunde da. Er ging deshalb zu einem Einwohner vor Ort und bettelte um Arbeit. Dieser schickte ihn auf seinen Hof zum Schweine hüten. Welche Demütigung. Vom König der Welt mit den Taschen voller Geld, als er das Vaterhaus verlassen hatte, zum Schweinehüter. So hatte er es sich sicher nicht vorgestellt. Auch wir denken nicht über die Folgen der Sünde nach, wenn wir in sie einwilligen. Sie verspricht uns viel, in Wirklichkeit aber raubt sie uns unsere Würde, zerstört sie uns. Und es kommt noch schlimmer: er war so hungrig, dass er die Futterschoten essen wollte, die die Schweine fraßen. Und das Schlimmste war, dass keiner ihm davon geben wollte. Der Hofbesitzer sagte zu ihm: Hey, Junge, ich benutze dich. Du bist mir wirklich nicht mehr wert als meine Schweine. Ich habe die Wahl, meine Schweine oder dich zu füttern, und ich werde meine Schweine füttern. So weit heruntergekommen war der junge Mann nach all seinen Plänen: keiner bot ihm etwas an und er war nicht einmal so viel wert wie die Schweine, die er fütterte. Deshalb hat Gott Herz Mitleid mit uns, wenn es sieht, wie wir den leeren Versprechen der Versuchung und Sünde folgen.

Und jetzt kommen wir zu zwei unglaublichen Schritten in diesem Gleichnis, als Jesus beginnt, über das Freiwerden von der Macht der Sünde zu sprechen. Der erste entscheidende Satz ist, als er sagt: er ging in sich. (= er kam zur Vernunft) Immer, wenn wir uns auf einem Irrweg befinden, ist das oft, weil wir nicht bei Sinnen sind, weil wir nicht richtig denken, weil wir die Prioritäten falsch setzen, weil wir nicht wissen, was eigentlich wichtig ist. Er kam zur Vernunft, er begann, die Dinge objektiv zu betrachten, und hörte nicht weiter auf die leeren Versprechen der Versuchung, und so sagte er: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Schauen wir jetzt auf die fundamentale Aussage, die dieser junge Mann macht, als er wieder zur Vernunft kommt, und die für uns eine echte Lehre ist: Es geht mir hier schlechter, als wenn ich ein Diener im Haus meines Vaters wäre. Als er diesen Gedanken hat, kommt er zur Vernunft. Vielleicht ist er immer noch ichbezogen in seinem Denken. Aber es hat sich ein Wandel vollzogen, er ist zurück in der Realität. Und es ist Realität, dass der Vater, von dem er weggerannt ist, sogar seine Diener mehr liebt als seine eigenen falschen Freunde ihn lieben.

Ich kann mir ihn gut dort im Schweinestall vorstellen, wie die Schweine grunzen und nach Futter quieken. Ich weiß nicht, ob Sie sich schon mal um Schweine kümmern mussten. Als ich ins Priesterseminar ging, hatten wir einen Bauernhof und eine meiner Aufgaben bestand darin, mich um die Schweine zu kümmern. Ich weiß nicht, ob mir dadurch damals etwas angedeutet werden sollte, eines aber weiß ich: wenn man das Futter in den Trog schüttet und die Schweine zum Trog kommen, steht man ihnen besser nicht im Weg. Ihre Kiefer sind ziemlich stark. Und diese Schweine waren hungrig, wir können uns die Szene also gut vorstellen: von den Schweinen fast umgerannt, ist er nicht in der Lage, etwas von den Essensresten, dem Salat und den Kartoffelstücken zu nehmen, weil er seine Hand riskieren würde, wenn er nach den Futterschoten greifen würde, und er sagte: Die Diener in meines Vaters Haus sind besser dran als ich hier. Ich will heimkehren und zu meinem Vater sagen: Ich habe gegen den Himmel und gegen die Erde gesündigt, aber bitte nimm mich als deinen Diener auf. Wir bekommen also den Eindruck, dass er zu Beginn seiner Bekehrung sagt: Wie stelle ich das an? Wie bringe ich meinen Vater dazu, dass er mich wieder aufnimmt? Um wieder heimkehren zu können, muss ich zugeben, dass ich etwas falsch gemacht habe: Ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt, aber was wirklich zählt ist, dass ich essen will.

Das ist der Anfang. Schauen wir nun auf den nächsten Schritt, den wahren Schlüssel, um zu verstehen: er verließ den Ort und kehrte zurück zu seinem Vater. Es ist relativ einfach, zur Vernunft zu kommen und zu erkennen, dass die Dinge so nicht in Ordnung sind, wir wissen aber auch, dass es eine besondere Art von Person braucht, um wirklich aufzustehen, wegzugehen und zu seinem Vater heimzukehren. Was hier so einfach von seiner Reise gesagt wird, seiner Heimkehr zum Vater, muss sehr viel dramatischer gewesen sein. Versetzen wir uns in die Lage des jungen Mannes. Wir haben schon gesehen, dass er unheimlich ichbezogen und rebellisch war, als er um das Geld gebeten hatte und fortgezogen war. Wir sehen später, dass zwischen ihm und seinem Bruder keine große Liebe bestand, wahrscheinlich noch etwas mehr als Rivalität unter Geschwistern; wahrscheinlich hatte der ältere Bruder allen Grund, um sich über ihn zu beklagen. Wir können uns vorstellen, wie er seinen Vater, seinen älteren Bruder und die Diener behandelt haben muss. Als er also wirklich auf dem Heimweg ist, was ja, wenn man an den Schweinestall zurückdenkt, wirklich wie eine gute Idee klingt, steigt in ihm ein Problem hoch, das jeden seiner Schritte immer schwerer macht. Es wird ihm bewusst, dass er sich seinem Vater stellen muss, dass er vor ihn hintreten muss. Ich habe diese kleine Rede gut einstudiert, aber was wird mein Vater tun? Was wird mein älterer Bruder tun? Und wenn er mein Angebot annimmt und mich zu den Dienern zum Arbeiten schickt, was werde ich dort in der Schlafbaracke mit den Angestellten erleben? Ich habe diese doch einst beleidigt und herumkommandiert. Und jetzt werde ich nicht mehr ihr Herr sein, sondern einer von ihnen. Ich denke also, dass ihm jeder Schritt, mit dem er sich seinem Vaterhaus näherte, schwerer gefallen sein muss und sein Entschluss musste immer stärker werden und er musste zu sich selbst sagen: Will ich das wirklich machen? Oder doch nicht? Und in all dieser Zeit vollzog sich in ihm eine Wandlung, was wir später sehen werden.

Jetzt wechselt Jesus den Ort der Szene und wir sehen den Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er sah ihn schon von weitem kommen. Es wird hier nicht erklärt, warum der Vater, ein alter Mann, ihn vor allen anderen erblickte. Es wird nicht erklärt, warum der Vater von weitem in der Lage war, zu sehen und mit Mitleid über den Anblick des jungen Mannes gerührt zu werden. Stellen wir uns vor, wie sehr gedrückt der junge Mann sich nach Hause schleppte. Wir wissen, dass wir, wenn jemand von weitem auf sie zuläuft, noch nicht sagen können, um wen es sich handelt, wir können aber sagen, ob er stramm daher schreitet oder ob er sich so hinschleppt. Als er also noch weit weg war, hatte der Vater schon Mitleid mit ihm. Er war noch nicht nah genug, um die Lumpen zu sehen, mit denen er bekleidet war, er war noch nicht nah genug, um zu erkennen, dass er barfuss war, er war noch nicht nah genug für den Vater, um den Geruch des Schweinestalls an ihm zu riechen, er hatte aber trotzdem Mitleid, weil er da einen gebrochenen Mann daherkommen sah, einen traurigen Mann, einen Mann, der sein Sohn war.

Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Und hier erkennen wir nun die Wandlung, die sich in dem jungen Mann vollzogen hat. Urteilen Sie selbst! Wenn er immer noch ichbezogen wäre, wenn er sich nicht geändert hätte, wenn er nur zurückgekommen wäre, um ein gutes Essen vorgesetzt zu bekommen und um ein besseres Leben als im Schweinestall zu bekommen, und wenn er nun den Vater auf ihn zulaufen sieht, wie er ihn umarmt und küsst, dann würde er nun sagen: Hu! Ich bin gerettet. Ich brauche diese kleine Rede gar nicht mehr vortragen. Ich muss kein Diener mehr werden. Mein Vater ist so dumm wie zuvor, er hat mir das Geld vor ein paar Jahren gegeben und jetzt nimmt er mich wieder an, ohne dass ich ein Wort der Entschuldigung sagen brauche. Bin ich froh! Wenn er sich nicht gewandelt hätte, in Ordnung? Aber wenn sein Vater auch zu ihm gerannt ist und ihn geküsst hat, um ihm zu sagen: Die Tür steht dir offen, ich bin froh, dass du zurückgekommen bist, dieser Sohn hatte die ganze Zeit unterwegs nachgedacht und hatte seine Rede immer wieder wiederholt, dass sich, als er seinem Vater begegnet, wirklich seine Einstellung verändert hat. Er kommt nicht nur zurück, weil er Hunger hat, weil die Schweine mehr zu essen bekommen, als die Diener im Haus seines Vaters. Er kommt jetzt zurück, weil er den Vater um Vergebung bitten will. Er glaubt jetzt wirklich, dass er es nicht mehr verdient, der Sohn seines Vaters genannt zu werden. Und somit wurde aus diesem sehr ichbezogenen jungen Mann ein Mann, der sich von Innen her gewandelt hat und nicht mehr ichbezogen ist, der nicht mehr die Nummer eins sein will. Vater, ich habe gegen dich gesündigt. Er hat sich innerlich gewandelt. Manchmal wundern wir uns, warum es so schwer ist, sich zu ändern, alte schlechte Gewohnheiten abzulegen, warum der Weg von unseren Entschlüssen zur wirklichen Veränderung in unserem Leben so lang ist. Er muss lang sein, um Frucht zu tragen. Er muss lang sein, damit wir von unserem anfänglich ichbezogenen Wunsch nach etwas Besserem zu demütigen Menschen reifen, die Gottes Vergebung schätzen und auf sie mit neuer Liebe antworten.

Der Vater gibt ihm nicht die Gelegenheit, seine Rede zu beenden. Wir wissen, dass er gehört hatte: Vater, ich bin es nicht wert, dein Sohn zu sein, mach mich zu einem deiner Diener, und sein Vater sagte zu den Dienern: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Und da entdeckt der Sohn: Ich habe nie bemerkt, wie sehr er mich geliebt hat. Er bemerkt, wie sehr sein Vater ihn liebt. Und er bemerkt, dass er Vater ihm die Hälfte des Vermögens gegeben hatte, in der Hoffnung, dass er damit etwas Gutes tut. Und sie gingen hinein und fingen an zu feiern. Der Vater geht nicht näher auf die Selbsterniedrigung des Sohnes ein. Jesus beschreibt hierin die Liebe und Vergebungsbereitschaft des Vaters.

Nach all dem können wir uns nun leicht vorstellen, wie er von nun an seinen Vater nachahmte, wie er mit den Dienern umging, wie er sich immer darüber bewusst war: Ich bin nicht wert, sein Sohn zu sein, ich habe mich nicht wie ein Sohn benommen. Wenn der Vater etwas brauchte, als er alt und schwach wurde, dann können wir uns vorstellen, wer der erste war, der zu ihm eilte, um nachzusehen, was er brauchte. Der Sohn dachte nicht mehr an sich selbst.

3. Noch ein undankbarer Sohn

Das war einer der Söhne. Ein Sohn, der nicht bemerkt hatte, wie sehr der Vater ihn liebte, der das Vermögen seines Vaters, das dieser ihm gegeben hatte, nahm und es verkehrt benutzte, der zur Vernunft kam und nach und nach sich wandelte und dem der Vater so vergeben konnte. Was ist mit dem anderen Sohn? Wir denken eigentlich immer, dass dieser gut war, nicht wahr?

Jesus aber möchte seinen Zuhörern mitteilen, dass sich dieser andere Sohn auch bessern musste, denn einige unter ihnen glichen ihm. Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen. Er reagierte nicht wie sein Vater. Sein Vater war seinem Sohn voller Freude entgegengelaufen, hatte ihn umarmt und geküsst, obwohl sich der Sohn verfehlt hatte. Jetzt also ist der ältere Sohn verärgert und will nicht hineingehen, so dass sein Vater hinausgehen muss, um mit ihm zu sprechen. Betrachten wir die Bitterkeit im Herzen dieses jungen Mannes, der zu seinem Vater sagt: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Sie haben bestimmt schon Zicklein gesehen, es sind kleine Tiere. Jetzt kommt also dein Sohn zurück, der sein Geld mit Huren durchgebracht hat und du schlachtest für ihn das Mastkalb, das fette Mastkalb. Wo bleibt hier die Gerechtigkeit?

Hier erkennen wir, dass der ältere Sohn, auch wenn er nicht weggegangen war und solche schrecklichen Dinge wie sein Bruder getan hatte, trotzdem nur an sich selbst denkt. Er war aus demselben Holz geschnitzt wie sein Bruder, er dachte nur an sich selbst. Für den Vater muss es sehr hart gewesen sein, diese Anklage von dem Sohn zu hören, der so handelte, als ob er ihn liebte, es aber nicht tat. Der Sohn, der die Vergebung, die der Vater demjenigen gewährte, der ihn so schlecht behandelt hatte, seinem Bruder nicht gönnte. Und wir können fast hören, wie der Vater zu ihm sagt: Wo warst du? Ich meine, was hast du all die Jahre hindurch gedacht? Kennst du mich nicht, verstehst du mich nicht, vertraust du mir nicht? Er sagt: Du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Du weißt, dass der Teil des Vermögens, der deinem Bruder gehörte, ihm vor vielen Jahren gegeben wurde, also gehört alles andere, was mir gehört, dir. Begreifst du das? Merkst du nicht, wie sehr ich dich liebe? Alles andere gehört dir! Wie kann ich dir meine Liebe sonst noch beweisen? Und all das schwärt in dir, so dass du, als dein Bruder zurückkommt, deine Arme deinem Bruder nicht öffnen kannst. Wir hören die Traurigkeit in der Stimme des Vaters, als er dem Sohn, von dem er gedacht hatte, dass der alles richtig machte, sagt: Sohn, du hast immer noch nicht verstanden, wie sehr ich dich liebe. Siehst du nicht, wie sehr ich dich liebe? Alles, was ich getan habe, war für dich. Es war doch richtig, dass wir ein Fest feierten und fröhlich waren, denn dein Bruder hier war verloren und ist wiedergefunden. Es kann sein, dass ein Mensch nicht weit vom Weg abgekommen ist. Das ist aber nicht genug. Wir können mit ihm im selben Haus wohnen, allem Anschein nach auch alles tun, was er will, aber ohne jemals ihn wirklich zu verstehen, ohne ihm ähnlich zu werden, ohne lieben zu lernen. Wir sind vielleicht in seinem Haus, fühlen uns aber wie Sklaven. Auch das enttäuscht den Vater: Wenn unsere Beziehung zu ihm nicht aus Liebe besteht, wenn wir nicht vergeben können, wenn wir ihm nicht vertrauen, wenn er uns ruft und wir anfangen zu rechnen, ob wir so großzügig wie er sein sollen oder nicht.

Wir haben hier also zwei Wege, wie wir die Gaben, die Gott uns gegeben hat, nicht so benutzen, wie Gott das will. Wir können wie der jüngere Sohn handeln, unsere Freiheit nehmen und sie missbrauchen, wir können unsere Lüste zufrieden stellen, wir können schreckliche Sünden begehen oder wir können wie der ältere Sohn handeln. Vielleicht sind unsere Sünden nicht so offensichtlich, tief in unserem Herzen aber behalten wir es für uns, denken nur an uns selbst. Wir wollen ja nichts Schweres gegen Gott tun, aber wir versuchen, die Dinge so weit wie möglich zu treiben: wie weit kann ich gehen, ohne etwas wirklich Schlimmes zu tun? Ist es wirklich etwas Schlechtes? Und wir messen ab, wie viel wir Gott geben wollen. Wir haben nicht verstanden, dass das, was Gott uns gegeben hat, für uns ist, und dass Gott uns liebt.

Manchmal verurteilen wir die anderen sehr schnell und kommen uns besser vor als sie. Manchmal scheint es sogar, dass wir es gar nicht wollen, dass andere sich bekehren. Wir alle haben Dinge getan, von denen wir wissen, dass sie falsch waren: der Gerechte fällt sieben Mal am Tag. Und erinnern wir uns daran, wie Petrus Christus fragt: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben? Jesus sagte, dass wir barmherzig sein sollen und dass wir den anderen vergeben sollen, wir sollen siebzig mal sieben Mal vergeben. Warum sollen wir siebzig mal sieben Mal vergeben? Weil wir wahrscheinlich so viele Sünden haben. Wenn wir wollen, dass Gott uns unsere Fehler vergibt, sollten wir auch die Fehler der anderen vergeben. Deshalb sagt er zu Petrus siebzig mal sieben Mal. Setzen wir unserer Vergebung keine Grenzen, es sei denn, wir wollen, dass Gott uns nicht vergibt. Er sagt uns, dass wir alle Sünder sind. Wir haben alle unsere Freiheit, d.h. die Möglichkeit zu wählen, die Gott uns gegeben hat, benutzt, um die falschen Dinge zu tun. Wir erlebten alle schon Zeiten der Bekehrung, wir waren alle schon eine Zeit lang gut. Und vielleicht waren wir gerade da auch ichbezogen, nur auf uns selbst achtend, und wollten nicht großzügig sein mit Gott, wollten Gott nicht alles geben, was er will und was ihm zusteht. Auch wir können ärgerlich sein, können andere verurteilen, können uns weigern, hinauszugehen und dem Menschen helfen, der Hilfe braucht. Alle Pharisäer schauten auf Jesus herab, als er sich mit den Zöllnern und mit Maria Magdalena abgab: Wenn dieser Mann ein Prophet wäre, würde er sich von dieser Frau nicht berühren lassen. Was würde der Pharisäer Simon sagen? Jesus erzählte ihm die Geschichte von den zwei Schuldnern, von denen einer 500 000 € Schulden hatte und der andere 50 €, und er fragte ihn, wer von den beiden den Mann mehr lieben würde, der beiden die Schulden nachgelassen hatte.

Und wer wird im Gleichnis vom verlorenen Sohn den Vater mehr lieben? Der jüngere Sohn, dem so viel vergeben worden ist, oder der ältere Sohn, der dachte, dass es nichts gab, was ihm hätte vergeben werden müssen, der aber nur auf sich selbst schaute?

4. Schlussfolgerung

Nehmen wir nun dieses Gleichnis, diese Geschichte, die Jesus uns erzählt, diese Erklärung, womit er uns seine Hoffnungen, seine Haltung, die Haltung Gottes des Vaters, Gottes Liebe zu uns, den möglichen Gebrauch der Gaben, die er uns gegeben hat, beschreibt und schauen wir nun, wie oft wir meinen, dass wir gut sind, obwohl wir eigentlich nur auf uns selbst schauen. Die Einladung, natürlich, die er seinen beiden Söhnen gibt, besteht darin, zu erkennen, wie sehr er uns liebt. Und so sollen wir danach ausschauen, wie wir diese Liebe erwidern können und wie wir die Gaben nutzen können, die er uns gegeben hat.

Wir müssen auch realisieren, dass wir im Sakrament der Beichte dem Vater begegnen, der nach uns ausschaut und uns entgegeneilt und der hören will, wie wir zu ihm sagen: Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt, damit er dann seine Gnaden über uns ausgießen kann, uns Kleider anziehen kann, uns den Ring an den Finger steckt und mit uns ein Fest feiern kann, denn wir waren verloren und sind wiedergefunden. Wir müssen aber zu ihm zurückkommen und wir müssen ihm das auch sagen.

Sehen wir also die Dinge, die wir getan haben, die Dinge, die wir unterlassen haben, die Liebe, die wir Gott nicht geschenkt haben, und sagen wir zu Gott: Herr, ich bin nicht wert, dein Sohn zu sein. Legen wir nun alles vor ihn hin in den Sakramenten, um auf sakramentale Weise wieder seine Vergebung und besonders jene Gnaden zu empfangen, die wir brauchen, um uns zu ändern und all das, was er uns gegeben hat, besser zu gebrauchen.

Fragen zur Reflexion:

Um uns zu helfen, unser Leben zu überprüfen, im Licht der Eingebungen, die Gott uns in dieser mit ihm verbrachten Zeit mitgeteilt hat.

  1. Spiegelt der Gebrauch, den ich von meiner Freiheit mache, meine Liebe zu Gott wider?
  2. Welchem Sohn gleiche ich am meisten? Warum?
  3. Wieviel von jedem Sohn erkenne ich in meinem Leben?
  4. Liebe ich Gott so, wie er es verdient, geliebt zu werden?
  5. Habe ich ihm genug gedankt?
  6. Wie stehe ich zum Sakrament der Beichte? 

Additional Info

  • Untertitel:

    Kurzexerzitien: Meditation 3 von 6

  • Datum: Nein
  • Druck / PDF: Ja

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