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Donnerstag, 6. September 2012

"Wir sehen die gute Nachrede als ein Apostolat an."

P. Álvaro Corcuera LCP. Álvaro Corcuera LCDer Generaldirektor der Kongregation der Legionäre Christi und der Bewegung Regnum Christi ermahnt in diesem Brief dazu, die Tugend der guten Nachrede zu leben, eines der wichtigsten Zeichen christlicher Nächstenliebe.

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Dein Reich komme!

An alle Mitglieder und
Freunde des Regnum Christi

Rom, den 19. Juli 2007

Liebe Freunde in Christus!

In einer Zeit wie der heutigen, in der Gott uns dazu aufruft, uns mit allem, was wir sind, in den Dienst der Kirche zu stellen, möchte ich mich gerne an Sie wenden, um Ihnen vor allen Dingen meinen Dank für Ihre Gebete und Briefe, sowie meine Anerkennung für das Zeugnis auszusprechen, das Sie mit Ihrem vom Geist des Evangeliums erfüllten Leben ablegen.

In einer Woche wird in Atlanta die Internationale Jugend- und Familienbegegnung unter dem diesjährigen Motto „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ stattfinden. So Gott will, werde ich dort mit vielen von Ihnen zusammentreffen. Da aber natürlich nicht alle die Möglichkeit besitzen, an diesem Ereignis teilzunehmen, möchte ich Ihnen hiermit einige Gedanken vorlegen, die etwas mit dem Thema dieser Begegnung zu tun haben: der Liebe.

Das Gebot der Liebe ist sozusagen das Markenzeichen all derer, die Christus nachfolgen. Wir Menschen sind nach dem Abbild Gottes und ihm ähnlich geschaffen; Christus ist das Ebenbild des Vaters; wir hingegen sollen lebendige Abbilder Christi sein. Da Gott die Liebe ist, muss auch unser Leben Liebe, Ausdruck von Liebe, sein. So erteilt uns Christus einen wahrhaft schönen Auftrag: Gott unter unseren Mitmenschen Gegenwart und Wirklichkeit zu verleihen! Keinem fernen Gott, keinem Gott bloßer Pflichterfüllung, keinem Furcht erregenden Gott, vielmehr einem Gott, der uns liebt, ja, der die Liebe selbst ist!

Wenn wir, ähnlich wie Maria, in unseren Herzen über Gottes Handeln nachdenken und in der Geschichte der Legionäre und des Regnum Christi dieses Handeln betrachten, können wir dabei einmal mehr mit Dankbarkeit feststellen, dass die Liebe Ausgangspunkt des Gründungsgedankens war. Schon von frühen Jahren an hatte unser Gründervater, Nuestro Padre, uns immer wieder darauf hingewiesen, welch große Bedeutung diese Tugend im Leben aller Christen besitzt: „Die Liebe ist das Wesen des Christentums, sie ist sozusagen das Markenzeichen des Christen. Hüten Sie sich also davor, Folgendes in Vergessenheit geraten zu lassen: es gehört wesentlich zum Sendungsauftrag, den Christus uns anvertraut hat, hinzu und es ist in diesem Sinne dringend notwendig, ein Leben zu führen, das vom Geist der Nächstenliebe erfüllt ist. Ebenso müssen wir uns dafür einsetzen, dass andere dies tun“ (8. März 1948). Wir wissen wohl auch sehr genau, dass es ohne Nächstenliebe keine echte Heiligkeit gibt, dass die Liebe alles ermöglicht, und dass ohne sie unser Leben als Christen seine Bedeutung verliert. Die Liebe hat keine Grenzen, ja, sie kann sogar – und wir sehen das an vielen Menschen, die ihr Leben für das Evangelium hingeben – Ihre höchste Ausdrucksform im Martyrium finden, wenn es denn so ist, dass Gott uns darum bittet. Märtyrer geben ihr Leben aus Liebe hin.

Außerdem verlangt die heutige Zeit von uns, täglich in der Liebe zu wachsen. Wie es beim heiligen Paulus im Hohelied der Liebe heißt, hört die Liebe niemals auf, sie ist langmütig, gütig, bläht sich nicht auf, kennt keine Grenzen (vgl. 1 Kor 13,4-8); und so wächst sie täglich und gewinnt an Echtheit: denn jeden Tag bieten sich uns vielfältige Gelegenheiten, um dieses Gebot, das uns auszeichnen und charakterisieren soll, zu leben. Die der Liebe innewohnende Dynamik verlangt außerdem, dass diese Tugend, die sich als Hingabe und Einsatz des eigenen Lebens für den Nächsten definiert, durch beispielhaftes Handeln vorgelebt und weitergegeben wird: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Wenn es dieser Hingabe an Taten fehlt, bleiben Worte nur leere Hülsen: „Wenn jemand Vermögen hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Gottesliebe in ihm bleiben? Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (1 Joh 3,17-18).

Wir wissen, dass die Liebe vielgestaltig ist, dass sie unendlich viele Facetten besitzt. Es genügt, sich ein wenig Zeit zu nehmen und das Zeugnis der vielen echten Christen in unserem Umfeld in den Blick zu nehmen, um über die Formenvielfalt und den Einfallsreichtum, mit der diese Tugend gelebt werden kann, zu staunen! Wenn man das Wohl des Nächsten sucht, wird die Liebe erfinderisch, sie zeigt sich taktvoll und einfallsreich. Dies geschieht in aller Schlichtheit. Sie sucht es nicht auszuposaunen, dass sie gerade etwas Gutes tut; sie tut es einfach und versucht dabei, Spiegelbild der Liebe Christi zu den Menschen zu sein. Sie kümmert sich um die kleinsten Details, sie überlegt sogar, ob ein Scherz oder eine Bemerkung den Nächsten vielleicht kränken oder verletzen könnte. Sie kennt den anderen genau – nicht weil sie über ihn urteilen, sondern weil sie ihm möglichst viel Gutes tun und alles vermeiden will, was ihm Schmerz bereiten könnte.

Unter den vielfältigen Ausdrucksformen der Liebe gibt es jedoch eine, zu der das Regnum Christi seine Mitglieder in besonderer Weise anleitet und auf die ich an dieser Stelle noch etwas näher eingehen möchte: die „gute Nachrede“.

Mit wie viel Sorgfalt müssen wir diese Tugend pflegen! Sie soll uns überall auszeichnen, ganz gleich, wo wir uns befinden. Aber was ist das eigentlich, die „gute Nachrede“? In der Welt, in der wir leben, ist dieser Begriff praktisch unbekannt – man findet ihn nicht einmal im Wörterbuch. Wohingegen man die „üble Nachrede“, das heißt die der guten Nachrede entgegen gesetzte Sünde, dort sehr wohl findet. Während die üble Nachrede die Unsitte ist, über andere Schlechtes zu verbreiten, besteht die gute Nachrede in der Tugend, über den Nächsten nur Gutes zu sagen. Wir sehen die gute Nachrede als ein Apostolat an. Das Böse muss man mit dem Guten besiegen. So ist also die gute Nachrede eine für alle zugängliche Weise, missionarisch tätig zu sein, eine konkrete Form, Christus nachzufolgen, der in der Welt „umherzog und Gutes tat“ (vgl. Apg 10,38); sie ist ein Weg, die Kirche aufzubauen und ihr zu dienen.

Die üble Nachrede stellt eine schwerwiegende Verfehlung gegen die Nächstenliebe dar, weil sie ohne Grund oder objektive Notwendigkeit Fehler, Irrtümer oder Sünden anderer Menschen ausplaudert und damit dem Ruf der Betreffenden schadet. Niemand hat das Recht, andere in Verruf zu bringen. Die gute Nachrede hingegen hat zum Ziel, nur das Positive, das man in anderen findet, zu verbreiten.

Die gute Nachrede schützt uns außerdem vor unüberlegtem Urteilen. Vorschnell urteilt, wer ohne ausreichende Grundlage einem Mitmenschen nachsagt, sich sittlich verfehlt zu haben. Solche Vorverurteilungen führen dazu, dass wir dem Nächsten Misstrauen entgegenbringen und uns von ihm innerlich entfernen. So sieht denn die traurige Realität eines Menschen aus, der über das tatsächliche Verhalten einer anderen Person hinausgehend, dieser Böswilligkeit unterstellt, sie „in eine Schublade steckt“ und katalogisiert. Durch vorschnelles Urteilen werden Zweifel ausgesät, verstummt man vor dem guten Ruf des Mitmenschen, entstehen Unruhe und Unbehagen, kommt uns der Seelenfrieden abhanden. Dabei schließen wir oft genug, wenn wir über den Nächsten urteilen, nur von uns auf andere, Fehler inbegriffen! Ein gütiges Herz dagegen strebt danach, positiv von anderen zu denken, sie zu rechtfertigen, ihnen zu verzeihen und sie zu verstehen. Dem mit Gott verbundenen Menschen sind seine eigenen Fehler kein Geheimnis – was ihn jedoch nicht dazu bringt, andere zu verurteilen, sondern Demut zu üben und Apostel des Guten zu sein. Es steht uns nicht zu, über den Nächsten zu urteilen. Gott allein ist unser Richter. Und das – wir wissen es wohl – erfüllt die Seele mit Frieden. Welch großes Geschenk der Friede doch ist! „Suche Frieden und jage ihm nach“ (Ps 34,15). Diesen Frieden macht Gott uns zum Geschenk, wenn wir uns darum bemühen, uns in Gedanken und Worten auf all das Gute zu konzentrieren, das es gibt.

Wenn wir aufgrund unserer Stellung für die Taten anderer Menschen Verantwortung tragen, müssen wir nach dem Guten streben, ihm dienen und gleichzeitig dem Bösen gegenüber realistisch sein: nicht indem wir es verurteilen, sondern indem wir es wie ein Arzt behandeln und heilen, auch wenn die Therapie vielleicht schmerzhaft ist. Wie im Gleichnis vom guten Samariter, das wir am vergangenen Sonntag betrachtet haben, suchen wir der Lehre Jesu Christi gemäß nur das Beste für unseren Nächsten: Wir beugen uns herab zu unserem verwundeten oder gefallenen Bruder, um ihn liebevoll zu verbinden, ihm in seinem Leben aufzuhelfen und sicherzugehen, dass er gut betreut und gepflegt wird. Dabei denken wir weder an die Kosten noch daran, dass wir selbst vielleicht Hilfe benötigen.

Drittens steht die gute Nachrede im Gegensatz zur Verleumdung. Unserem Glauben nach ist Verleumdung eine sehr schwere Sünde. Wer seinen Nächsten verleumdet, sagt diesem falsche, seinen Ruf schädigende Dinge nach und verbreitet sie unberechtigterweise. Wer verleumdet, schädigt den Ruf und erfindet gleichzeitig eine Lüge, und deshalb glaube ich, dass die Verleumdung zu den Sünden zählt, die das Herz Jesu am tiefsten betrüben.

Wie alle Tugenden ist auch die gute Nachrede keine passive Lebenseinstellung, bei der wir uns damit begnügen, jeden Ausrutscher zu vermeiden oder „keine Kritik zu üben“. Es geht vielmehr darum, eine entschieden positive innere Haltung, eine gute Gewohnheit anzunehmen, die uns dazu bringt, diese Tugend zu üben. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, über die Fehler und Irrtümer unserer Mitmenschen Stillschweigen zu bewahren, obwohl auch das schon etwas sehr Gutes ist, denn der Apostel Jakobus sagt: „Wer sich in seinen Worten nicht verfehlt, ist ein vollkommener Mann und kann auch seinen Körper völlig im Zaum halten“ (Jak 3,2). So gesehen haben wir nie das Recht, schlecht über irgendjemanden zu sprechen: Das wäre das Gegenteil von dem, was Christus uns in Wort und Tat gelehrt hat. Doch die gute Nachrede tut mehr: Sie versucht, den guten Ruf der anderen zu verbreiten, ihre guten Eigenschaften zur Geltung zu bringen, ihre Tugenden hervorzuheben, ihre Leistungen, Erfolge und Errungenschaften zu betonen und alles Gute und Vorteilhafte, was wir an ihnen finden können, zu loben. So wird diese Tugend zu einem im Geist der Nächstenliebe geleisteten konstruktiven Beitrag und damit zu einem Apostolat.

Wie jede Tugend verlangt die gute Nachrede ein gewisses Maß an Selbstüberwindung. Sie ergibt sich normalerweise nicht spontan oder automatisch. Sie hat eine andere, noch tiefer liegende Gewohnheit zum Ursprung: immer gut von unserem Nächsten zu denken und ihn von Herzen und aufrichtig zu schätzen. Das setzt voraus, dass wir auf unsere Gedanken Acht geben, indem wir vor allem gegen Vorurteile ankämpfen, die Quelle häufiger und fortdauernder Unstimmigkeiten sind. Ferner müssen wir Güte, Verständnis, Freundlichkeit und Höflichkeit aufbringen, diese sorgfältig pflegen und walten lassen; vor allem indem wir anderen gegenüber in unseren Empfindungen und Worten loyal, gerecht und ehrlich auftreten. Christus brachte Geduld und Verständnis für andere auf. Die zahlreichen Sünder, die zu ihm kamen, empfing er mit herzlicher Güte, ohne jemals zum Paragraphenreiter zu werden. Er stellte ihre Fehler nicht vor aller Welt bloß, sondern bereitete den Sündern in seinem Herzen, das Güte und Verständnis ausstrahlte, einen Platz. Welch erstaunliche Bekehrungen hat er nicht doch dadurch erreicht, dass er ein bisschen Verständnis aufbrachte! Wir wollen alle Eifersüchteleien, Rivalitäten, Groll und Neid entschieden von uns weisen. Solche Regungen sollen keinen Platz haben in unserem Herzen, denn als Christen sind wir dazu berufen, uns gegenseitig zu unterstützen und eine Familie zu bilden, deren Geschwister sich in der Liebe Christi gegenseitig achten, hochschätzen und aufmerksam bedienen. Den Worten des heiligen Paulus entsprechend (1 Kor 12,26) soll daher gelten: „Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle anderen mit ihm.“

„Ein guter Mensch“, so lehrt uns Christus, „bringt Gutes hervor, weil in seinem Herzen Gutes ist; und ein böser Mensch bringt Böses hervor, weil in seinem Herzen Böses ist. Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund.“ (Lk 6,45). Dagegen ist der „alte Mensch“, von dem der heilige Paulus spricht (vgl. Kol 3,9), durch die Erbsünde verwundet und geneigt, mehr auf das Versagen und die Fehler der anderen als auf ihre Tugenden und Erfolge zu schauen. Wir Christen jedoch besitzen die Hilfe der Gnade Gottes; in uns wohnt sein Geist, und daher haben wir auch die nötige Kraft, um dieser Neigung Herr zu werden und immer gute und positive Gedanken zu pflegen.

Unser Gründervater, Nuestro Padre, hat uns in seinem Brief über die „Liebe wie im Evangelium“ einen praktischen Rat gegeben: „Bemühen Sie sich um die Gewohnheit, immer auf die guten Seiten der Menschen zu achten. Und auch wenn die eine oder andere Person ganz offensichtlich schwerwiegende Fehler hat, sollten Sie sich fragen: Welche Fähigkeiten und Tugenden sind in diesem Menschen verborgen?” (22. Oktober 1993). Der gute Mensch sieht alles im Prisma der Güte: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,21). Das sollte uns so weit in Fleisch und Blut übergegangen sein, dass wir uns unverzüglich entschuldigen und gleich etwas Positives hervorkehren, falls uns doch einmal ein Wort „entschlüpft“ ist, das wir lieber nicht gesagt hätten. Erinnern wir uns stets an die Losung, die seit den ersten Gründungsjahren von der Bewegung ausgegeben wurde: Allem Guten, von dem wir hören, Glauben schenken, das Schlechte aber nur dann glauben, wenn wir es mit eigenen Augen sehen; und dies innig verzeihen. Auch Jesus, unser Erlöser, hat sterbend vom Kreuz herab seinen Peinigern und uns allen, für die er sich hingab, von Herzen vergeben: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34).

Von Gott erbitte ich die Gnade, dass wir uns weiterhin von Herzen darum bemühen mögen, aufs bestmöglichste der Tugend der guten Nachrede entsprechend zu leben und in deren Übung Fortschritte zu machen: gegenüber Menschen, die wir kennen, und solchen, die uns fremd sind, bei Personen, die uns sympathisch sind, und solchen, bei denen es uns spontan vielleicht schwerer fällt. Wenn wir nämlich nur die lieben, die uns lieben, welchen Lohn können wir dafür erwarten? (vgl. Mt 5,46). Die Ansprüche, die Jesus in dieser Hinsicht im Evangelium an uns stellt, sind unmissverständlich: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?“ (Mt 7,1-3). „Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“ (Mt 9,13). „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte“ (Mt 5,44-45).

Die Art und Weise, wie Jesus tagtäglich mit den Männern, Frauen und Kindern, die er traf, umging, machte seine Predigt sehr lebendig. Wir wollen Christus hierin nachahmen. Seine Worte riefen Bewunderung hervor: „Noch nie hat ein Mensch so gesprochen“ (Joh 7,46). Und zwar nicht nur wegen der Wahrheiten, die er verkündete, sondern auch, weil diese einem sanftmütigen und gütigen Herzen entstammten. Mit wie viel Takt und Feingefühl verteidigt doch Jesus die Würde, die Reue und die liebevollen Gesten der Sünderin und korrigiert den Pharisäer Simon, der sich ein negatives Urteil über Jesus und die Frau, die zu seinen Füßen lag, gebildet hatte! Wenn wir zum Beispiel in der Familie oder am Arbeitsplatz gezwungen sind, etwas abzulehnen, eine unangenehme Nachricht zu überbringen oder eine Zurechtweisung auszusprechen, die jemanden verletzen könnte, dann sollten wir dies auf die liebenswürdigste Weise tun. Auch wenn wir nein sagen oder jemandem eine bittere Arznei verabreichen müssen, soll deutlich werden, dass unsere Absicht die allerbeste ist. Man kann das Gute nicht zum Ziel haben und dabei Methoden einsetzen, die weder von der Nächstenliebe getragen, noch gerechtfertigt sind. Nächstenliebe und gute Nachrede sind kein Mittel zum Zweck. Sie sind sich selbst Zweck, und darum tun wir alles ihretwegen.

Wir wollen also stets das Gute fördern, die guten Werke zu verbreiten suchen, die von so vielen Menschen in Angriff genommen werden. Mögen die Menschen durch unsere Worte den Heiligen Vater, die Bischöfe, die Pfarrer, die Priester, sowie die übrigen Bewegungen und Er-scheinungsformen von Kirche immer mehr schätzen lernen. Möge allen durch unsere Worte Anerkennung und Ermutigung zuteil werden. Eine ganz klare Gelegenheit, dies in die Praxis umzusetzen, bietet sich uns auf dem Gebiet der Ökumene: der in Wahrheit und Liebe geführte Dialog. Als Erzbischof von New York hatte Kardinal O’Connor, dem unsere große Anerkennung gilt, das Motto: „Die Liebe ist größer als die Gerechtigkeit“. Wir müssen Gerechtigkeit üben, aber nicht mit der inneren Haltung eines Paragraphenreiters, der weiter nichts tut, als das Gesetz anzuwenden. Die Liebe ist die Krone der Gerechtigkeit. Wir wollen das sein, was das Evangelium von uns erwartet: Salz der Erde, Licht der Welt, Sauerteig – und das alles kraft der Liebe (vgl. Mt 5,13-14).

Andererseits können wir unsere Augen nicht davor verschließen und behaupten, dass es in der Welt keine Intrigen, keine Verleumdung und keine üble Nachrede gibt. Leider Gottes haben viele Gespräche gerade dies zum Thema, ja, solche Gespräche scheinen zu einer Art Hobby geworden zu sein. Und doch bin ich sicher, dass Jesus Christus jeden von uns als Einzelnen und als Teil eines einzigen Leibes, darum bittet, dieses Banner, dieses Markenzeichen des Christen entschlossen hochzuhalten und ausnahmslos alle Menschen in Liebe zu begleiten. Der Christ kennt keine Grenzen. Die Erfüllung des Gebotes Christi hängt nicht von Unterscheidungen und Trennlinien, von Rassen oder Kulturen ab. Alle unsere Worte sollen positiv sein und den Stempel Christi, die Sanftmut und Demut, tragen – vor allem wenn wir leiden, uns in Zeiten der Prüfung oder in besonders schwierigen Umständen befinden. Trachten wir danach, immer nur aufzubauen und alles zu streichen, was auch nur den leisesten Hauch von Krittelei oder Klatschsucht aufweist. Bei unserem Anblick sollen die Menschen dasselbe sagen können wie beim Anblick der ersten Christen: Seht, wie sie einander lieben!

Ich denke, wir müssen Gott für diese wunderbare Atmosphäre der Liebe danken, die im Regnum Christi herrscht, denn sie ist ein klarer Beweis dafür, dass Christus mitten unter uns ist. Dies gilt auch für viele andere Bewegungen und Gruppen, denn der Heilige Geist ist in unserer Kirche am Werk. Es liegt an uns, ob wir dieses Charisma ebenso treu wie die Legionäre und Mitglieder des Regnum Christi, die uns vorausgegangen sind und sich nun im Haus des Vaters befinden, kennen lernen, leben und weitergeben. Sie haben uns ein klares Beispiel dafür gegeben, was es heißt, die Liebe in all ihren Erscheinungsformen zu leben.

Möge die Allerseligste Jungfrau uns mit ihrer zartfühlenden und reichen, von Herzen kommenden Gottes- und Menschenliebe ein Vorbild sein, uns an der Hand nehmen und sicher zum Hafen geleiten. Gemeinsam mit Ihr werden wir jene Zuversicht entdecken, die man nicht gewinnt, weil man sich selbst genügt, sondern weil man demütig und sich freudig dessen bewusst ist, dass Gott uns eingeladen hat, treue Spiegel seiner Güte zu sein und er hierzu seine Gnade schenkt.

Indem ich Sie in meine Gebete einschließe, verbleibe ich als Ihr treuer Diener in Christus,


Ihr

Álvaro Corcuera LC


(Übersetzung des spanischsprachigen Originals)

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