

Eigentlich sind wir immer in der Krise. Seit Adam und Eva. Wir leben in einer gebrochenen Welt. Die der Erlösung bedarf. Auf allen Ebenen. Manchmal dürfen wir das deutlicher sehen. Die Krise kann uns noch mehr ablenken. Oder sie kann aber auch unseren Blick schärfen. Nicht nur das Paralysiert-Sein durch Ratlosigkeit, Angst und Bestürzung kann uns ablenken. Auch die Flucht in den „Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags“ (Lk 21,34) lässt uns das Ziel verfehlen, unsere Ausrichtung auf das eine (Lk 10, 42), was wirklich zählt, aus dem Blick verlieren.
Wie erheben wir unser Haupt? Wie bereiten wir uns vor, sodass wir vor den Menschensohn hintreten können, der uns in Bethlehem entgegeneilt? Wie können wir der Welt gerade in der Krise bezeugen, dass es Menschen gibt, die einen Erlöser erwarten?

Wachen & Beten
Zu einem ist es das Wachen und das Beten. Das Wachen im Beten. Das Wachen beim Beten. Die Grundintuition von Christen aller Zeiten ist in der Krise immer dieselbe gewesen: Gebet. Und wenn es besonders schwierig wird, wenn es gilt, den Himmel besonders zu bestürmen: Gebet, das von Fasten begleitet wird. Mancher „Dämon“ wird nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben (vgl. Mk 9,29 & Mt 17,21, Fußnote). „Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; dann, in jenen Tagen, werden sie fasten.“ (Lk 5,35).



Ich zeige euch noch einen anderen Weg. (vgl. 1 Kor 12,31)
Es gibt aber noch einen weiteren Weg, wie wir uns aufrichten und unser Haupt erheben können. In der 2. Lesung am ersten Adventsonntag wurde uns dieser Weg in einem Text aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher vorgestellt. Paulus will helfen, ihren Glauben „aufzurichten, damit
keiner wankt in diesen Bedrängnissen. Ihr wisst selbst. Für sie sind wir bestimmt … wir haben es euch vorausgesagt, dass wir in Bedrängnisse geraten werden; und so ist es auch eingetroffen.“ (1 Thess, 3, 2-4) Es geht also um dasselbe Thema des Evangeliums, darum, sich durch den Glauben aufzurichten und das Haupt zu erheben, wenn das Meer tobt, wenn die Kräfte des Himmels erschüttert werden. Das ist also der Kontext für das, was dann am Ende des 3. Kapitels kommt: „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, … damit euer Herz gefestigt (gestärkt) wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, wenn Jesus kommt.“ (1 Thess 3, 12-13) Was geschieht hier?

Paulus verbindet also „Krise“ (Bedrängnisse, „Endzeitstimmung“ usw.) mit „werdet reich in der Liebe“. Oh! Und wie genial wäre es, wenn wir in der derzeitigen Krise als Glaubensgemeinschaft durch unsere Liebe Zeugnis davon geben, dass es Menschen gibt, die auf den Erlöser durch ihre Liebe zueinander und zu allen warten. Dass wir erhobenen Hauptes auf Jesus in unserem Bruder, in unserer Schwester schauen. „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden …“ – es geht nicht um den eigenen armseligen Versuch, den Nächsten zu lieben. Was wäre das schon. Die frohe Botschaft ist eine andere. Wir wollen auf Jesus schauen und uns öffnen für die Kraft seiner Liebe, die der Heilige Geist selbst ist. Dass er kräftig in uns wehe. Dass er in uns die Liebe entfache, und eben nicht nur denjenigen gegenüber, die uns lieben, die uns Gutes tun. (Lk 6,32-35)
Aber was heißt „Lieben“? Ja, vieles. Aber es heißt erst mal, uns gegenseitig mit Wohlwollen und Respekt zu begegnen. Es heißt, dem anderen gegenüber gegenwärtig sein. Gott begegnen wir in der Gegenwart – nicht irgendwo und irgendwann, sondern im Hier und Jetzt. Nur da befinden wir uns leider nicht sehr oft, und schon gar nicht in unseren Gesprächen. Nur der Geist Gottes ergründet den Geist des Menschen in seiner Fülle. (vgl. 1 Kor 2,10-16). Und es ist zuerst seine Gegenwart, für die wir uns in unseren Gesprächen öffnen wollen. Wirklich beim anderen zu sein. Seine Sorgen zu verstehen, seine Ängste, seine Prägungen, was ihn bewegt, was hemmt. Wenn ich schon im Vornhinein den anderen abgestempelt habe, wenn ich mich schon im Vornhinein über ihn erhoben habe, dann entsteht ein Gefälle, dann schauen wir uns nicht mehr auf Augenhöhe an, sondern da sind Erniedrigung, Entwürdigung und Verletzung vorprogrammiert. Natürlich darf ich meine Meinung in dieser ganzen Corona-Diskussion haben und dafür eintreten. Es geht um ein gemeinsames Ringen um die Wahrheit. Aber in der Liebe, sonst sitzen wir am völlig falschen Dampfer.
Ein Weg, beim Nächsten gegenwärtig zu sein, besteht darin, die Ärmsten und Bedürftigsten unter uns wahrzunehmen. In diesem Sinn freut es mich sehr, dass wir dieses Jahr im Zentrum Joannes Paul II. wieder die Schlafsackaktion von iCare haben. Vielleicht ist es auch für dich eine schöne Gelegenheit, dich in dieser Krisenzeit zu erheben und auf den Herrn zu schauen.
Jesus! Ich will auf dich schauen. Wenn mein Meer donnert. Wenn die Grundfeste meines und uns aller Himmel erschüttert werden. Komm, Jesus! Schau auf diese Welt! Lass sie nicht zugrunde gehen. Schau auf unser Land. Auf unsere Kirche. Auf unsere Familien und Freunde. Lasst uns Zeugnis ablegen, dass es Menschen gibt, die ihr Haupt erheben. Die sich nicht der Angst, der Bestürzung, der Ratlosigkeit, aber auch nicht dem Rausch und der Ablenkung durch die Sorgen des Alltags übergeben. Lass uns Glaubende werden. Liebende. Wachende. Betende. Amen.
Gottes Segen!
Euer P. George Elsbett LC
Euer P. George Elsbett LC