Donnerstag, 18. Juli 2019

„Vergesst nie, dass ihr zum Volk gehört!“

Kurienerzbischof José Rodríguez Carvallo OFM über Berufung und Sendung des Priesters in unserer Zeit – ein geistlicher Text mit Mehrwert

„Aus der Mitte der Menschen genommen, um den Menschen zu dienen“ (Hebr. 5,1). Mit diesen Worten fasst der Verfasser des Hebräerbriefes die Berufung und Sendung des Hohenpriesters zusammen. Mit diesen Worten können wir auch die Berufung und Sendung eines jeden Priesters zusammenfassen. Priestersein ist vor allem ein Ruf des Herrn. Die Priesterberufung ist kein persönlicher Entschluss. Wenn man sich für diese Berufung entscheidet, ohne berufen zu sein, würde man sich selbst und auch der Kirche viel Schaden zufügen. Vielleicht könnte man ein Experte in den Dingen werden, die den Herrn betreffen, ein guter Beamter, wie unser geliebter Papst Franziskus gerne sagt. Das Gewöhnlichste in diesem Fall ist, dass man zu einem bezahlten Knecht wird: vielleicht einem intelligenten Knecht. Oder zu einem Knecht, der kaum den Wolf kommen sieht und schon flieht und die Schafe allein zurücklässt. Sicher ist, dass ein solcher Knecht nie ein Hirte nach dem Herzen Christi wird. Er wäre nicht bereit, seinen Schafen die wahre Nahrung und wenn nötig sogar sein Leben für sie zu geben. Priestersein ist kein Beruf, es ist kein Job, es ist kein Hobby. Priestersein ist in erster Linie und vor allem eine Berufung; es ist, wie der heilige Paulus sagt, sich vom Herrn erobert fühlen, der einen Menschen auf besondere Weise an seinem Priestertum teilhaben lässt. Deshalb holt er ihn aus der Mitte der Menschen heraus und weiht ihn für eine ausschließliche Hingabe im Dienste des Himmelreiches. Sehr viel Schaden würde von jemandem angerichtet werden, der, ohne vom Herrn berufen zu sein, diese Berufung aufnähme. Genauso würde ein Mensch viel Gutes ungetan lassen, wenn er vom Herrn berufen würde, aber von Bequemlichkeiten oder Angst getrieben oder von anderen persönlichen Interessen bewegt nicht auf diese Berufung antworten würde. Priestersein ist kein persönlicher Entschluss, sondern eine Berufung, eine Einladung an den Berufenen. Diese Einladung ist kein Zwang, genauso wie bei so vielen Personen in der Geschichte, die sich wie die Propheten auch inmitten von Zweifeln ("Ich kann nicht reden", sagte Jeremia) in die Hände Gottes begeben und ihr großzügiges Ja aussprechen. "Hier bin ich, sende mich", wie Jesaja sagte. Oder wie Maria von Nazareth, Mutter eines jeden Priesters, die, auch inmitten so vieler Fragen, vertraut und sagt: "Hier bin ich, mir geschehe nach deinem Wort."

Vergesst nie, dass ihr zum Volk gehört!

Aber der Priester ist aus den Menschen genommen. Vergesst niemals, liebe Diakone, die ihr in Kürze Priester sein werdet, vergesst niemals, dass ihr zum Volk gehört, ihr seid Teil des Volkes, ihr seid für das Volk da. Ihr wurdet nicht ausgewählt, weil ihr die Besten seid oder intelligenter als andere. Der Herr ruft, wie Markus sagt, wen auch immer er will. Es gibt keinen anderen Grund, der erklärt, dass wir aus den Menschen genommen wurden, als eine Vorliebe des Herrn für jeden von uns. Der Priester ist die reife und schmackhafte Frucht der Freiheit und der Bedingungslosigkeit Gottes, welcher ihn erdacht, geliebt und erwählt hat, noch bevor er wie der Prophet Jeremiah im Schoß der Mutter geformt wurde. Warum ich und nicht andere? Warum ihr und nicht so viele andere? Liebe Brüder, wir werden niemals die Antwort auf diese Frage kennenlernen. Aber es ist wahr wie ich bereits sagte, dass es sich um eine besondere Vorliebe handelt. "Als er vorbeikam, liebte er ihn und sprach zu ihm: "Folge mir nach", lesen wir im Evangelium nach Markus. Das ist meine Geschichte. Das ist deine Geschichte. Das ist die Geschichte aller Priester. Deshalb sollten aus dem Herzen des Priesters immer die Worte des Magnificat kommen: "Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter, denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut". Und wenn der Herr sich nicht schämt, uns Brüder zu nennen, wie es im Brief an die Hebräer heißt, wie könnte ein Priester auf seinen Bruder herabschauen, auf seinen eigenen Bruder, auf die Schwestern und Brüder, die uns der Herr anvertraut hat? Das wäre Klerikalismus, den unser lieber Papst Franziskus immer wieder verurteilt. Der Priester, mehr als jeder andere, muss sich als ein Mann des Volkes und für das Volk betrachten. Und weder der Lebensstil noch die Sprache, die er im Dienst der Evangelisierung benutzt, können ihn von den Menschen trennen, aus denen er genommen wurde und zu denen er gehört, nicht nur wegen seines Ursprungs, sondern auch wegen der besonderen Berufung, die er erhalten hat.

Sprecht in der Sprache der Menschen!

Der Priester muss aufmerksam sein, damit die Weltlichkeit, die der Logik des Evangeliums so widerspricht, die Armen dieser Welt nicht skandalisiert. diese Welt. Genauso wie er darauf achten muss, dass er keine Sprache verwendet.... Bitte verwendet nie eine Sprache, die die Leute nicht verstehen, weil ihr so nur eure Zeit verschwendet und auch die Zeit der Menschen. Und manchmal, bitte, benutzt nicht eine Sprache, die nicht einmal ihr selbst versteht, die ihr einfach nur aus irgendeinem Blog, den ihr gelesen habt, kopiert und dann ohne weiteres wiederholt. Wie sehr sind nicht wir Priester sind für die mangelnde Evangelisierung unseres Volkes verantwortlich! Wir sagen zu Recht, dass es viele Getaufte und nur wenige Evangelisierte gibt. Und wer ist schuld daran? Zum größten Teil wir Priester und auch die Bischöfe. Jeden Sonntag und auch noch ein paar Mal pro Woche reden wir zu den Menschen; wie oft ist das nicht vergeudete Zeit? Wir Priester werden vor Gott Rechenschaft ablegen müssen über unsere unnützen Worte. Herausgenommen, um den Menschen zu dienen.

Bleibt Diakone!

Der Priester, ihr, seid berufen zu dienen. Ihr hört auf, Diakone zu sein, aber sollt doch euer ganzes Leben lang Diakone bleiben. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, sagt Jesus. Der Größte unter euch soll euer Diener sein. Die Ersten werden die Letzten werden. Dem Beispiel des heiligen Paulus folgend, wird der Priester schwach mit den Schwachen, um die Schwachen zu gewinnen, und es wird allen alles, um alle irgendwie zu gewinnen. Aus einer tiefen Freiheit heraus wird der Priester zum Diener, um alle zu gewinnen. Das ist die Logik, aus der heraus der Priester berufen ist zu dienen; das ist die Logik des Dienstes. Ein konkreter Dienst, Diakonie und ein Dienst der Diener: doulos. Der Dienst der Fußwaschung; der Heilung der Wunden, wie der gute Samariter im Gleichnis; der Dienst der Speisung so vieler Menschen, die nach dem Brot und nach dem Evangelium hungern, wie es Jesus in seinem öffentlichen Leben sagte. Der Dienst kann nicht einfach beiseitegeschoben werden, wie es die Jünger mit einem bequemen „schick die Menschen doch fort“ versuchten, „sie sollen in die Dörfer und Höfe gehen um dort nach Unterkünften und Essen zu suchen, denn hier sind wir auf offenem Feld“. Der Priester ist gerufen, zu geben: „Gebt ihr ihnen etwas zu essen“. Denkt daran, dass der Priester immer berufen ist, sich selbst zu geben und den Schatz zu geben, der sein Leben erfüllt und ihm Sinn gibt: Jesus Christus. „Gebt ihr ihnen etwas zu essen“. Dazu werdet ihr mit dem Heiligen Geist gesalbt werden: Um die zerrissenen Herzen zu verbinden, um den Leidenden die gute Nachricht zu überbringen, um den Gefangenen die Freilassung zu verkünden, wie es im Evangelium heißt. Und der Priester öffnet das Innerste seines Herzens, wo er den Schatz der guten Nachricht aufbewahrt, wo das heiße Brot fertig gebacken ist und wo der gereifte Wein des Wortes ohne Rückbehalt ausgeschenkt wird, weil er weiß, dass er nie ausgeschöpft sein wird. Damit alle das Leben haben und das Leben in Fülle haben. Vor allem durch die Predigt, die für den Priester kein Grund für Hochmut oder Quelle für Profit ist, sondern eine Aufgabe, die er erhalten hat und die er auch nicht vernachlässigen könnte: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1Kor 9,16) – „Der Löwe brüllt; wer wird da nicht zum Propheten?“ (Amos 3,8). Der Priester verteilt es mit offenen Händen, weil er weiß, dass der Gewinn gerade im Ziel aller Evangelisierung liegt: Jesus bekannt zu machen. „Gebt ihr ihnen zu essen“.

Eucharistie ist keine Belohnung sondern Stärkung

Der Priester feiert die Heilige Messe, er feiert die Eucharistie (den Höhepunkt des christlichen Lebens, wie das Konzil bekräftigt), in der das Geheimnis der Menschwerdung verewigt wird. In diesem Geheimnis sind wir berufen, die Demut des Erlösers zu betrachten, der täglich in die Hände eines Priesters herabsteigt, so wie er eines Tages in den reinsten Leib Mariens hinabstieg. Und er teilt das eucharistische Brot aus, das Nahrung für die Schwachen, Kraft für die Müden und Bedrängten, Wegzehrung für alle, die da als Fremde und Pilger wandeln in dieser Welt auf dem Weg zum Haus des Vaters. Der Priester, also auch ihr, liebe Diakone, soll sich daran zu erinnern, dass die Eucharistie keine Belohnung für die Braven ist, sondern Nahrung, Stärke und Wegzehrung für die Schwachen: „Gebt ihr ihnen zu essen“. Und der Priester feiert auch die restlichen Sakramente, und ohne eines zurückzustellen, gilt seine besondere Aufmerksamkeit dem Sakrament der Versöhnung oder der Buße. Das Sakrament, das uns mit Gott und mit anderen versöhnt; und durch das wir das Geschenk der Vergebung kosten können. Statt uns in der Erniedrigung der Sünde versinken zu lassen, gibt es uns unsere durch die Sünde verlorene Würde zurück und lädt uns ein, an dem Fest teilzunehmen, das im Himmel für jeden Sünder gefeiert wird, der sich bekehrt; und wieder im Festtagsgewandt gekleidet zu werden, das uns an die Reinheit erinnert, die wir durch die Taufe erhalten haben; und den Ring an den Fingern zu sehen, der zu uns von unserer Würde als Kinder Gottes erzählt. Ein erhobenes Haupt spricht zu uns von der Befreiung: „Gebt ihr ihnen zu essen“.

Betet inständig für das Volk

Und während er das Brot des Wortes und der Sakramente verteilt, betet der Priester ständig, damit er der Berufung treu sein kann, die er empfangen hat, und damit er immer wieder die Gabe Gottes erwecken kann, die in ihm ist. Er betet inständig für sein Volk. Das ist die ernste Verpflichtung jeden Hirten und er bittet darum, selber nicht in die Versuchung zu fallen, ein Söldner zu werden, der in der Weltlichkeit lebt und nur seinen eigenen Vorteil sucht. Um nicht in die Versuchung zu geraten, ein Wolf im Schafspelz zu werden. Um nicht in die Versuchung zu fallen, ein Bürokrat der Dinge des Herrn zu werden. Er betet, um die Gegenwart des Herrn im Leben der Anderen und seiner persönlichen Geschichte zu entdecken. Liebe Weihekandidaten: Das war ein kurzer Überblick über das, was der Herr, die Kirche und die Welt von euch erwarten. In Kürze werdet ihr durch die Auferlegung meiner Hände und das Weihegebet geweihte Priester sein. Was für eine große Berufung und was für eine große Verantwortung! Denkt immer daran: Als Ordensleute seid ihr schon von den Menschen genommen, um den Menschen zu dienen. Jetzt seid ihr Diener unter einem neuen Titel sein, dem des Priesterstandes. Ich sage bewusst Titel, weil es eine Ehre ist, dass der Herr euch berufen hat. Und es ist nicht irgendein Titel, sondern einer, der eine große Verantwortung mit sich bringt. Habt keine Angst, haben wir keine Angst, denn der Herr ist mit uns, er ist mit euch, um euch zu verteidigen. Liebe Weihekandidaten, vergesst nie, dass ihr berufen seid zu dienen, bitte. Die Kirche braucht dienende Priester, die auch immer noch Diakone und Ordensleute sind, und die immer in der bescheidenen Haltung des Dienens verharren. Denkt daran, dass der Herr, wie einst zu Jeremiah, heute zu euch spricht: „Ich bin bei dir“. Fürchtet euch nicht, aber erinnert auch an all dies; es wird euch helfen, ein guter Christ, ein guter Ordensmann und ein guter Priester zu sein. Zählen immer auf unser Gebet, es ist gleich dem Gebet Christi: dass der Vater der Barmherzigkeit euch vor dem Bösen bewahren und in der Wahrheit heiligen möge, wie wir im Evangelium hören. Möge der Herr euch diese Gnade auf die Fürsprache der Jungfrau Maria gewähren, die wir oft unter dem Titel anrufen: Unsere Liebe Frau von Guadalupe. Möge der Herr euch und uns diese Gnade gewähren auf die Fürsprache aller Heiligen, die wir jetzt anrufen werden. Fiat, fiat. Amen, Amen, Amen.“

 

(Predigt von Kurienerzbischof José Rodríguez Carvallo OFM während der Priesterweihe von 37 Legionären Christi am 4. Mai 2019 in der Basilika des Heiligen Johannes Lateran. Übersetzung des spanischen Originals durch Br. Peter Hemm LC und Pater Lásló Erffa LC.)

 

 

Additional Info

  • Untertitel:

    Kurienerzbischof José Rodríguez Carvallo OFM über Berufung und Sendung des Priesters in unserer Zeit – ein geistlicher Text mit Mehrwert

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  • Region: Österreich

    

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